Chronik/Wien

Wiener Schnee: Warum Kugeln aus Hernals so gefragt sind

Bill Clinton hat eine mit Konfetti von seiner Wahlsieg-Party. Barack Obama eine mit seiner Familie in Miniaturformat – inklusive Hund. Und der japanische Auto-Hersteller Mitsubishi hat jahrelang Hunderttausende bestellt. Wiener Schneekugeln der Familie Perzy aus Hernals.

In einer kleinen Hinterhofwerkstatt, ein wenig versteckt zwischen Vorstadt-Zinshäusern, fertigt Erwin Perzy, der Dritte, mit seiner Tochter Sabine und einem kleinen Team jährlich 200.000 Schneekugeln. Er designt Maschinen für neue Motive, gießt Formen aus altem Kunststoff und lässt sie in der Spritzgussmaschine Silber einfärben. Jetzt kontrolliert Erwin Perzy gerade die Figuren für ein neues Design: Eine New Yorker Skyline samt Audrey-Hepburn-Sonnenbrille. Ein Auftrag aus Japan.

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Mit Wasser gefüllte Behälter, in denen kleine, weiße Partikel herumwirbeln, die wie Schnee aussehen, gibt es von verschiedenen Anbietern. Doch jenes Modell, das Ende des 19. Jahrhunderts den Anstoß für die moderne Schneekugel gab, stammt tatsächlich aus Wien. Und der kleine Familienbetrieb hat es seitdem zu weltweitem Ansehen geschafft.

Pionier

Wie zum Beweis dafür kommen zwei Touristen ins Museum im Erdgeschoß. Andrea und Ralf sind aus Deutschland, zum ersten Mal in Wien und haben das Museum nach dem Stephansdom auf Platz zwei ihrer Sehenswürdigkeiten-Liste: „Wir lieben Schneekugeln. Und die Wiener Kugeln sind berühmt, weil der Schnee am längsten rieselt.“

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Dass es diese Kugeln gibt, hat viel mit Zufällen zu tun. Erwin Perzy I, Großvater des heutigen Besitzers, war Chirurgieinstrumentenmechaniker und als solcher am Tüfteln, wie man Lampen für OP-Säle heller machen könnte. Er orientierte sich an der Schusterkugel (dabei wird einer Kerze eine mit Wasser gefüllte Glaskugel vorgestellt, um den Lichtkegel zu vergrößern). Großvater Perzy hielt eine gefüllte Kugel vor eine Glühbirne. Doch das überzeugte ihn nicht; der Lichtkreis war nicht groß genug. Er überlegte, Stoffe dazuzugeben, um die Lichtreflexion zu verstärken, und fügte Gries hinzu, der schön absank. Wie Schnee, dachte er.

Dank Mariazell

Der zweite Zufall: Erwin Perzy hatte einen Freund mit Souvenirstand im Wallfahrtsort Mariazell. Dieser war auf der Suche nach besonderen Devotionalien. Und so kam Erwin Perzy I die Idee, ein Modell der Kirche in die Kugel zu stellen – die „Glaskugel mit Schneeeffekt“ war geboren. Perzy ließ sie patentieren und erzeugte fortan Schneekugeln mit religiösen Motiven.

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Und weil aller guten Dinge drei sind, Zufall Nummer drei: Erwin Perzy II, Vater des heutigen Besitzers, war Zeitungsfahrer für den Wiener Kurier (Vorgänger des heutigen KURIER), der von den Amerikanern geleitet wurde. Er zeigte seine Schneekugeln einigen Amerikanern, worauf diese meinten: Die seien ja toll, aber müssten es religiöse Formen sein?

Heute hat die Familie Perzy 350 Motive im Sortiment. Im Verkaufsraum finden sich Kugeln mit Figuren der neuesten Disney-Filme ebenso wie solche mit lilafarbenen Drachen oder roten Glitzerschuhen. Am gefragtesten sind aber nach wie vor die Klassiker: Schneemann, Christbaum oder Santa Claus.

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Und warum rieselt der Schnee in der Kugel so langsam? „Das kann ich nicht verraten“, sagt Erwin Perzy, lacht und beruhigt: „Es weiß derzeit niemand.“ Auch seine Tochter wird es erst erfahren, wenn sie die Firma übernimmt. Das war auch der Zeitpunkt, an dem Erwin Perzy III das Geheimnis von seinem Vater anvertraut bekam.

Schneekugelmanufaktur Geschäft und Museum befinden sich in der Schumanngasse 87 in Wien-Hernals. Auf Anfrage werden auch persönliche Schneekugeln gestaltet. Details gibt es online unter www.schneekugel.at.

Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag,  9 bis 15 Uhr. Weihnachtliche Sonderöffnungszeiten ab 18. November: Täglich von 9 bis 18 Uhr;  24., 25. und  26.12. geschlossen,  27.bis 30.12.: Täglich von 9 bis 18 Uhr.