Wie das Potenzial der Wiener Clubkultur besser genutzt werden soll
Von Birgit Seiser
Wer Wien schon bei Nacht gesehen hat, weiß: Es gibt täglich gefühlt Hunderte Events, bei denen man sich die späten Stunden um die Ohren schlagen kann. Die Wiener Wirtschaftskammer (WKW) hat dieses Gefühl nun analysiert und zu harten Fakten zusammengefasst.
Demnach machen 4.300 Wiener Unternehmen – das sind rund fünf Prozent aller Betriebe – ihre Geschäfte in der Nacht. Ihr Jahresumsatz beträgt eine Milliarde Euro, was wiederum eine Bruttowertschöpfung von 440 Millionen Euro bedeutet. Das klingt zwar nach viel Geld, das in den Geldbörsen von Barkeepern und Veranstaltern landet. Im Vergleich zu anderen Metropolen hinkt Wien aber hinterher.
Schlagwortsuche
Die Studie der WKW verglich die Suchanfragen im Internet mit jenen zu verschiedenen anderen Städten. Sucht man nach den Worten „Party“ und „Berlin“, spuckt die Suchmaschine fast 500 Millionen Treffer aus. Tauscht man den Namen der deutschen Hauptstadt mit „ London“ aus, sind es sogar doppelt so viele Treffer.
Bei den Worten „Wien“ und „Party“ findet man hingegen nur zehn Millionen Einträge.
Nische ausnutzen
Eine Nische, die wirtschaftlich besser ausgeschöpft werden könnte, sagt Markus Grießler, Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wiener Wirtschaftskammer: „Ich glaube, dass die Stadt in Sachen Nachtwirtschaft Potenzial hat. Die Clubkultur muss gestärkt werden. Es muss eine Struktur geschaffen werden, sodass die Wege für Clubbesitzer beschleunigt und erleichtert werden.“
Dieses Potenzial besser zu nutzen, dem haben sich vor einiger Zeit auch die Wiener Neos verschrieben. Seit mehr als einem Jahr fordert die Oppositionspartei einen sogenannten Nachtbürgermeister – also eine Person, die die Nachtwirtschaft vorantreibt und die Szene koordiniert. Vorbild dafür sind Städte wie London, Zürich oder Amsterdam, wo es solche Positionen in unterschiedlicher Form gibt.
Der Koordinator der Nacht ist teilweise politisch installiert, andere Städte machen einen Vertreter der Nachtwirtschaft, also zum Beispiel einen Clubbesitzer, zur Ansprechperson. In Zürich wurde wiederum ein Nachtstadtrat ins Leben gerufen.
So einer Position kann Grießler jedoch nichts abgewinnen: „Grundsätzlich bin ich dagegen, eine neue Stelle zu schaffen. Es gibt diese Servicestellen in Wien schon. Man muss nur plakativer an die Sache herangehen, um die Nachtwirtschaft zu fördern.“
Aufgabenvielfalt
Grießler will alle Ansprechpartner an einen Tisch holen und über Probleme und Möglichkeiten sprechen. Die Aufgaben in der Nacht sind nämlich vielfältig: Sie gehen von 24-Stunden-Services für Clubbesitzer bis hin zur Mediation, wenn es beispielsweise zwischen Anrainern und Partygästen zu Problemen kommt.
Die Förderung der Wirtschaft in der Nacht wäre aber nicht nur in Sachen Tourismus von Vorteil: Derzeit arbeiten rund 24.000 Menschen in Wien erst, wenn es dunkel wird. Zu 99 Prozent arbeitet das Personal in Restaurants oder Betrieben mit einer Ausschanklizenz.
Die höchste Lokaldichte finden Nachtschwärmer in der Bundeshauptstadt übrigens im ersten Bezirk und rund um den Naschmarkt, auf den Plätzen zwei bis vier rangieren Favoriten, Meidling und die Brigittenau.