Chronik/Wien

Viele Baustellen für den neuen Kinder- und Jugendanwalt in Wien

Mit 27 Jahren ist Sebastian Öhner altersmäßig selbst noch sehr nah an seinen Klienten dran, denn die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien (KIJA) kümmert sich um die Belange der 360.000 0 bis 21-Jährigen der Stadt. Trotzdem wurde der Jurist nun zum neuen Leiter der KIJA bestellt, wie Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) am Mittwoch verkündete. 

Die Kompetenz hat er allemal: Der Wiener ist Juridicum-Absolvent mit Schwerpunkt Umweltrecht, hat eine pädagogische Grundausbildung bei den Wiener Kinderfreunden absolviert und ist unter anderem Vorstandsmitglied der österreichischen Liga für Menschenrechte.

Ab 1. Juli wird Öhner seinen Job antreten. Überzeugt hat er im Hearing, dem sich zehn Kandidaten stellten, mit seinen Ideen, wie er die KIJA in Zukunft führen will. Kein einfacher Job, denn in Wien gibt es im Moment mehrere Baustellen, was die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angeht. 

Alle Inhalte anzeigen

Erst vor wenigen Tagen sorgten etwa folgende Zahlen für Aufregung: 70 Prozent der Pflichtschüler sprechen im Alltag nicht Deutsch, ein Drittel der Erstklässler kann dem Unterricht nicht folgen. Das sei eine besondere Herausforderung, wie Öhner zugibt: "Leider ist es schwierig bestimmte Communitys zu erreichen. Aber das ist ein Ziel, dass wir schnell angehen werden." Die KIJA behandelt im Jahr mehrere Tausend Einzelfälle, in denen sich Kinder oder Jugendliche mit rechtlichen Fragen an sie wenden. Aufgrund dieser Kontakte will Öhner künftig auch systemische Probleme aufdecken und daran arbeiten. 

Außerdem geht man direkt in Krisenzentren oder Jugend-WGs, um zu schauen, was die Probleme in der Lebensrealität der Jüngsten überhaupt sind. 

"Da sein, wo Jugendliche sind"

Auch auf die Gruppenvergewaltigung einer 12-Jährigen wurden Wiederkehr und Öhner angesprochen. Alle Verdächtigen in dem Fall waren Jugendliche, nun wurde bekannt, dass die Bande auch Videos von sexuellen Handlungen und anderen Straftaten ins Internet gestellt haben soll. "Dieser Fall macht mich sprachlos und ich bin immer noch schockiert." Das beste Mittel gegen solche Gewalttaten sei eine gute Bildung. Öhner stimmte zu und erklärte, dass die KIJA auch vermehrt online aktiv werden wird: "Eben da, wo die Jugendlichen sind." Dabei sollen sie auch über die Rechte in der digitalen Welt aufgeklärt werden - und über ihre Pflichten. 

  • Was ist die Kinder- und Jugendanwaltschaft?
    In jedem Bundesland gibt es eine eigene Kinder- und Jugendanwaltschaft, die sich für die Rechte der Kinder und Jugendlichen einsetzt. Die KIJA muss der Landesregierung jährlich über ihre Tätigkeit berichten und hat das Recht, Unterstützung und Auskünfte von Landes- und Gemeindebehörden sowie von Einrichtungen der privaten Kinder- und Jugendhilfe einzufordern. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft wird öffentlich ausgeschrieben und von der Landesregierung für fünf Jahre bestellt, ohne an Weisungen gebunden zu sein.  In Wien arbeiten derzeit elf Personen in der KIJA, sieben davon sind Frauen. Die meisten sind Sozialarbeiter*innen, einige stammen aus anderen Bereichen wie der Pädagogik.
     
  • Welche Aufgaben hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft?
    Ihr Aufgabenbereich umfasst die Prüfung der Einhaltung des Kindeswohls in allen Bereichen, die Kinder betreffen. Sie entwickelt auch Kinderschutzkonzepte für Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, und überwacht Wohngemeinschaften und macht Gesetzesbegutachtungen. Außerdem sind sie für die kostenlose und anonyme Beratung von Kindern, Jugendlichen und Eltern zuständig, sowie die Vertretung der Interessen junger Menschen in Rechtssetzungsprozessen und die Zusammenarbeit mit nationalen/ internationalen Netzwerken.
     
  • Wie kann man die Kinder- und Jugendanwaltschaft erreichen?
    Die KIJA kann über die Telefonnummer 01/ 70 77 700 erreicht werden. Montag, Mittwoch und Donnerstag von 9 bis 16 Uhr; Dienstag von 13 bis 16 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr. Per Mail (post@jugendanwalt.wien.gv.at) oder nach einer Terminvereinbarung kann man zum persönlichen Gespräch vorbeikommen (3., Modecenterstraße 14/Block C/ 4. Stock) Auf die Internetseite kija.wien.at wird über aktuelle Projekte, Themen und Herausforderungen geschrieben. Infos über Rechte: rechte-u18.at, schoolchecker.at

Großes Ziel

Die KIJA sei laut Vizebürgermeister Wiederkehr ein wichtiger Bestandteil, um ein großes Ziel zu erreichen, nämlich die kinderfreundlichste Stadt der Welt zu werden. Das sei schon allein daher wichtig, weil Wien immer jünger wird. Mit der Kindermillion der Stadt, bei der Jugendliche entscheiden, wofür das Geld eingesetzt wird, sei bereits ein wichtiger Schritt gemacht worden. 

Die KIJA wird außerdem eine wichtige Rolle bei Wiederkehrs Projekt "Prinzip Wien" spielen. Damit sollen Grundwerte der Gesellschaft definiert werden, um Integration zu ermöglichen - und diese fängt laut Wiederkehr immer bei Kindern und Jugendlichen an.