Chronik/Wien

Schlechte Aussicht für Terrassenhaus am Wiener Althangrund

Ob tatsächlich ein 60 Meter hohes Terrassenhaus über dem Franz-Josefs-Bahnhof gebaut wird, scheint immer fraglicher. Der Projektbetreiber 6B47 ringt seit mehr als sieben Monaten mit Stadt und Bezirk um einen städtebaulichen Vertrag. Dieser ist die Voraussetzung für die Umwidmung, die 6B47 braucht, um in die Höhe bauen zu können.

Der Investor verliert langsam die Geduld: Er arbeitet bereits an einem Notfallplan. Der KURIER erklärt, was das für das neuen Stadteilzentrum im neunten Bezirk heißt.

Warum dauern die Verhandlungen so lange?

„Es geht insbesondere um eine Forderung des Bezirks: leistbares Wohnen“, sagt 6B47-Geschäftsführerin Michaela Mischek-Lainer.

Laut städtebaulichem Leitbild, in dem die Stadtentwicklungskommission im Jahr 2017 den Rahmen für das sogenannte Althanquartier absteckte, soll die Hälfte der rund 600 geplanten Wohnungen auch für Geringverdiener erschwinglich sein.

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Das sei nicht realisierbar, da Gleisüberbauungen mit hohen Bau- und Betriebskosten verbunden seien, erklärt Mischek-Lainer.

„Wir finden keinen Bauträger, der das macht. Unser Ansinnen ist, den sozialen Wohnbau reduzieren zu dürfen.“ Alternativ könnten Büronutzer, ein Studentenheim oder Appartements für Kurzeitwohnen einziehen – Anfragen gebe es bereits.

„Wir haben nicht auf Türmen bestanden und wünschen uns nun von unserem Gegenüber Flexibilität.“ Zur Erinnerung: Das Leitbild hätte zwei bis zu 126 Meter hohe Gebäude erlaubt.

Stadt und Bezirk wollen dem aber offenbar nicht nachkommen.

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50 Prozent sozial gebundene Wohnungen sind die „absolut rote Linie“, sagt SPÖ-Bezirkschefin Saya Ahmad. Auch die MA 21 (Stadtteilplanung) verweist auf diese Vorgabe.

Welche Bedingungen gibt es noch?

Das Leitbild schreibt außerdem „lebendige“ Sockelzonen mit Geschäften und Gastronomie, einen „weitgehend öffentlich nutzbaren Hochpark“ und Verbindungswege zwischen den angrenzenden Bezirksteilen fest.

Was passiert, wenn keine Einigung gelingt?

Ohne städtebaulichen Vertrag gibt es keine neue Widmung. 6B47 kann dann nur auf Basis der bestehenden Bestimmungen bauen – und somit niedriger. Vorbereitungen für diese Notlösung laufen bereits.

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Die Stadt hat in diesem Fall keine Möglichkeit, Forderungen zu stellen. Angesprochen auf dieses Risiko, heißt es aus der MA 21 lediglich: „Es ist ein gemeinsames Interesse, an diesem Ort zusätzliche Qualitäten sicherzustellen.“

„Wir sind unseren Mitarbeitern und Aktionären verpflichtet, dass dieses Projekt gut weitergeht“, sagt Mischek-Lainer. Noch heuer wolle 6B47 einen Plan einreichen, der von den jedenfalls erlaubten Bauhöhen von 45 bis 50 Metern ausgeht.

In diesem Fall müsse das Gebäude aber „entsprechend verdichtet“ werden. Das bedeutet auch: weniger Grünflächen und Wege. Sollte doch eine Einigung erzielt werden, könne man auf den ursprünglichen Plan umschwenken.

Was sagen eigentlich die Anrainer dazu?

Die Bürgerinitiative „Lebenswerter Althangrund“ fürchtet um die versprochenen Mehrwerte, mit denen ihnen der Umbau schmackhaft gemacht wurde.

Aus Sicht von Anrainer Christoph Weißenbäck ist der Nutzen des Projekts für die Anwohner der umliegenden Grätzel überschaubar – selbst wenn es zu einer Einigung kommt.

„Im Hochpark wird Radfahren nicht erlaubt sein, außerdem könnte er nachts gesperrt werden. Solche Beschränkungen entsprechen nicht dem versprochenen Raum für alle“, sagt er.

Debatten sind bei der für heute Abend angesetzten Bürgerversammlung (9., Boltzmanngasse 1, 18 Uhr) mit Vertretern der Bezirkspolitik und 6B47 also programmiert.

Hintergrund

Im städtebauliche  Leitbild für das Althanquartier sind „zwei am Turm der Müllverbrennungsanlage Spittelau (126 m) orientierte Höhenfenster“ vorgesehen. Das rief Kritiker auf den Plan: Sie monierten, dass Hochhäuser nicht in das gründerzeitlich geprägte Viertel rund um den Bahnhof passen würden, eine Bürgerinitiative gründete sich.  

Das Wiener Büro Artec gewann den ausgelobten Architektur-Wettbewerb mit einem deutlich niedrigeren Entwurf. Der maximal 60 Meter hohe Neubau wird das bestehende Parkhaus ersetzen. Das angrenzende, ehemalige Bank-Austria-Quartier wird generalsaniert. Ab März dient es 650  Mitarbeitern von Raiffeisen International als Übergangsbüro.