Chronik/Wien

"Mörtels" Vermächtnis: Drama um Neuausrichtung der Lugner City

Die Drehtüren am Neubaugürtel rotieren merkbar langsamer als zuvor. Es ist ein Wochentag um die Mittagszeit, als der KURIER für einen Lokalaugenschein durch die verzweigten Gänge der Lugner City streift. 

Menschen bummeln und konsumieren – grobe Veränderungen in der Lugner-City-Erfahrung scheinen sich nach dem Tod des Gründers Richard Lugners auf den ersten Blick nicht abzuzeichnen.

Doch hinter den Kulissen soll es einigermaßen dramatisch zugehen:  Von einer „Neuausrichtung“ und „Reorganisation“ war die Rede. Lugners letzte Ehefrau Simone  wurde  kurzerhand gekündigt, obwohl er sie noch zu Lebzeiten als künftige „alleinige Chefin“ bezeichnete.

Die Geschäftsleitung unter Gerald Friede und Lugner-Tochter Jacqueline hält sich jedoch bedeckt. 

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Lugners letzter Wille

Der Geist Richard Lugners ist aber noch nicht aus den „heiligen Hallen“ gewichen. Plakate über eine bevorstehende Rabatt-Aktion werden zumindest noch von seinem berühmten Antlitz in Form einer Comic-Zeichnung geziert. Minus 50 Prozent in der Gastronomie an einem ausgewählten Tag soll „Mörtel“ für seine Kundinnen und Kunden gewollt haben.

Und auch Exfreundin Bahati „Kolibri“ Venus vermutet im Gespräch mit dem KURIER einen Kahlschlag unter den „Tierchen“ – wie Lugner seine Verflossenen liebevoll (wenn auch nicht unbedingt ganz zeitgemäß) nannte. "Kolibri" selbst verfolgte berufliche Interessen in der Lugner City, nämlich in einem dort ansässigen Shop für Haarverlängerungen. Das Werbevideo für ihre Extensions-Kollektion soll aber mittlerweile "auf Anordnung der Geschäftsführung" nicht mehr im Einkaufszentrum gezeigt werden dürfen.

"Bambi" sitzt noch im Infostand

Einzig Nina „Bambi“ Bruckner hält noch brav die Stellung in der Infozentrale der Lugner City. Beim Lokalaugenschein in ihrem Büro-Kobel möchte sie lieber kein Statement während der Arbeitszeit abgeben. Sie verweist aber serviceorientiert auf das laufende Oktoberfest in der berühmten achteckigen Arena, bei dem es „gutes Bier“ eines Sponsors gebe. Die Geschäftstüchtigkeit kann sich sehen lassen – vielleicht hat sie sich diese ja sogar von Altmeister „Mörtel“ abgeschaut.

Und die Musik vor Ort ist sowieso zu laut für eine Unterhaltung, Andreas Gabaliers „Hulapalu“ dröhnt aus den Boxen. Statt Lugner persönlich steht nun eben ein anderer Mann in Lederhosen auf dem Pult und bespaßt das halbinteressierte Publikum auf Bierbänken in marktschreierischer Qualität. Von den Balkonen beobachten Kundinnen und Kunden das Spektakel, fast als wären sie im Theater. In der Lugner City gab es halt schon immer viel zu schauen, das hat sich auch nach Lugners Tod nicht geändert.

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Dass die kolportierte neue Chefin Simone Lugner im Einkaufszentrum fehlt, fällt auf Nachfrage niemandem so recht auf. Der Betreiber eines Stands meint achselzuckend: „Die war ja nur eine Woche lang da“. Der Geschäftsführer Gerald Friede sei immer noch der gleiche, es habe sich „wenig geändert“. Andere berichten, dass die spontane Kündigung von Lugners letzter Frau sie schockiert habe. Von Tochter Jacqueline „Jacky“ Lugners Einfluss in der Sache spricht aber niemand.

Lokalaugenschein in den Shops

Bleibt noch herauszufinden, ob im vorhin erwähnten Haarverlängerungsgeschäft mehr Spannungen herrschen. Hier wird die Bahati-„Kolibri“-Venus-Kollektion von einer Verkäuferin als "absolutes Premiumprodukt" beschrieben, dezidiert ausgeschildert ist die Beteiligung von Lugners Ex jedoch nicht. Werbung kann man hier: Eindrücke wallender Mähnen (durch künstlich verlängertes Haar) flimmern immer wieder über die große Videowall – wie erwähnt, wird "Kolibris" aufwendig produziertes Video hier zumindest nicht gezeigt.

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Richard Lugner fehlt

Möglichen Zwist bekommt man als Kundin also nicht aktiv mit. Ein junges Paar erklärt, dass sie den „Gossip“ rund um die Nachfolge von Lugner in der City aber medial  verfolgen würden. Sie sind heute sogar zum ersten Mal ins Einkaufszentrum gekommen. Dass Richard Lugner nicht mehr da ist, schmerzt die Kunden und Mieter aber gleichermaßen. Stammkunden berichten, dass sie ihn immer wieder durch die Gänge streifen sahen. Der Ex-Besitzer habe laut den Mitarbeitern regelmäßig persönlich in den Geschäften vorbeigeschaut, (mehr oder weniger) hilfreiche Tipps für die Ladengestaltung gehabt und sich erkundigt, wie das Geschäft läuft.

„Er hat auch oft nachgefragt, wie es uns geht. Er war immer wieder da, um seine Videos zu drehen. Die Familie kommt auch öfter einkaufen, aber die reden nicht viel. Die gehen nur rein und raus“, erzählt der Mitarbeiter eines Elektronikfachgeschäfts. Viel habe sich nicht geändert, außer, dass es durch mehr Veranstaltungen merkbar lauter geworden sei. Eine Vermutung, drängt sich auf: Wer die Stille füllen möchte, die jemand hinterlassen hat, der dreht vielleicht erst mal lauter?

Wie verschiedene andere Shopbesitzer verraten, sei der Umsatz aber stabil. „Das Geschäft hängt ja nicht nur von einer Person (Anm. Richard Lugner) ab. Aber mal schauen, wie das in fünf Jahren ist“, sinniert der Verkäufer eines Schmuckgeschäfts. Ob die Lugner City in Zukunft ein Publicity-Problem bekommen könnte, darüber sind sich die Mieter uneinig. Tochter Jacky hält sich bekanntermaßen strikt aus den Medien heraus.

Wer hat das Zeug zum Werbegesicht der Lugner City?

Vermutungen hinsichtlich einer „spirituellen Nachfolge“ Lugners stellt die 74-jährige Kundin Elfriede an. Sie hat sich genau an dem Platz niedergelassen, wo Lugner einst seinen Kaffee trank. Die Nachfolge Lugners müsse vor allem Humor beweisen: „Es braucht eine Person, die sich selbst auf die Schaufel nehmen kann.“ Ob Exfrau Christina „Mausi“ Lugner diese Rolle übernehmen könnte, bejaht sie: „Das muss man ihr lassen, an Schmäh hat’s drauf“.

Ein anderer Stammkunde ist sich sicher, dass klassischerweise der Sohn Alexander Lugner diese Aufgabe erledigen könne: „Ist doch klar, dass der Sohn das macht.“ Dieser ist ebenfalls seit vielen Jahren in der Lugner City tätig – hält sich jedoch wie Jacqueline Lugner weitestgehend aus der Öffentlichkeit fern.

„Tierchenmodenschau“ gehört der Vergangenheit an

Wie es im „Stadtstaat“ Lugner City weitergeht, scheint also nicht final ausgefochten zu sein. Die Testamentseröffnung findet am Montag statt. Mediale Events wie zum Beispiel die „Tierchenmodenschau“ werden nach einer Neuausrichtung des Hauses wohl der Vergangenheit angehören.  

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„Einkaufen müssen die Leute immer“, zeigt sich ein Trafikant zuversichtlich. Aber ein bisschen kommen die Kunden schon wegen der Show ins Einkaufszentrum, wie viele von ihnen zugeben. Die Musi’ spielt in der Lugner City zumindest immer noch - und jetzt sogar lauter als zuvor.