Chronik/Wien

Im Gartenbaukino stehen jetzt Namen auf den Stühlen

Vor dem Gartenbaukino wird schon wieder ein Zelt aufgebaut. "Das ist für die Viennale, hier werden dann die Tickets abgeholt", heißt es. Start ist schon am 21. Oktober. Natürlich auch wegen Corona wird das Zelt außerhalb des Hauses stehen.

"Kaum ist eine Baustelle fertig, fängt schon die nächste an", sagt Manfred Wehdorn. Der Denkmalexperte und sein Architekturbüro zeichnen für die Revitalisierung des alten Hauses verantwortlich.

Die größte Herausforderung des Umbaus war, alles in so kurzer Zeit fertig zu stellen, sagt Wehdorns Projektleiter.

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Neueröffnung des alten Kinos

Zur Eröffnung des Hauses am Parkring am Montag ist viel Prominenz gekommen, um das Ergebnis zu präsentieren: Staatssekretärin für Kunst und Kultur, Andrea Mayer (Grüne), und die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zeigten sich besonders erfreut.

Der Direktor des Gartenbaukinos, Norman Shelter, war so erfreut, dass er sich bei der Ankündigung der Kulturstadträtin und der Staatssekretärin versprach. "Staatssekretärin für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport", sagte er. Diese stellte zugleich mit einem Lächeln klar: "Das Bundesministerium ist dafür zuständig, ich jedoch für Kunst und Kultur, das reicht."

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Binnen sieben Monaten wurde die gesamte Technik des Hauses erneuert. 32 Firmen waren an dem Umbau beteiligt. Man habe sich an den budgetierten Rahmen von 3,3 Millionen Euro gehalten, heißt es. Aber die endgültige Kostenaufstellung erfolgt erst im Jänner 2022.

In den vergangenen Monaten wurden auch das Damen-WC sowie der Brandschutz erneuert. Außerdem wurde eine Induktionsschleife im Boden des Kinosaales als Hör- & Verstehhilfe für Schwerhörende verlegt.

19. 12. 1960 Eröffnung des neuen Gartenbaukinos mit SPARTACUS (Regie: Stanley Kubrick).

1962 Fertigstellung des Gartenbau Hochhauses (Architekten: Erich Boltenstern und Kurt Schlauss).

1973 Nach der Schließung des Forum Kinos

1972 wird das Gartenbaukino erstmals Schauplatz des 1960 gegründeten Filmfestivals Viennale.

1978 Einbau der ersten Dolby Stereo Anlage Österreichs.

1982 Umgestaltung des Kinos: Erneuerung von Buffetbereich, Foyerdecke und Bestuhlung. Reduktion der Kapazität von 900 auf 760 Sitzplätze.

1992 Entfernung der 19. Reihe, Reduzierung des Fassungsvermögens auf 736 Sitzplätze, Erneuerung des Vorhangs. Umstellung auf Dolby Digital und gleichzeitiger Abbau der 70mm-Infrastruktur.

1994–1996 Die außenliegende Mosaikfassade wird auf Grund von Wasserschäden durchgehend von einer Nirosta-Verkleidung verdeckt, der Eingangsbereich neu gestaltet, die Anzeigetafel („Fischerleuchte“) erneuert.

1998 Drohende Ausgliederung des Gartenbaukinos (und neun weiterer Standorte) aus der stadteigenen KiBa (Kinobetriebsanstalt). Gründung der Plattform „Rettet das Gartenbaukino“, symbolische Besetzung des Kinos am letzten Tag der Viennale.

1999 Übernahme des Kinos durch City Cinemas. 2002 Konkurs der City Cinemas. Die Viennale übernimmt mit Unterstützung der Stadt Wien die Mietrechte für das Kino; Gründung der ENTUZIASM Kinobetriebsgmbh, die seither als Betreiberin fungiert.

2010 Ausstellung und Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Gartenbaukinos, erste fundierte Aufarbeitung zur Geschichte des Kinos und zum Werk des Architekten Robert Kotas (1904–1973). 2016 Reaktivierung des 70mm-Spielbetriebs.

2018 Unterschutzstellung des Gartenbaukinos als „Denkmal der Nachkriegsmoderne“ durch das Bundesdenkmalamt.

2021 Umfangreiche Generalsanierung über einen Zeitraum von sieben Monaten sowohl nach technischen als auch wissenschaftlich-denkmalpflegerischen Grundsätzen. Das Gartenbaukino ist nach wie vor im Eigentum der seit 1827 bestehenden Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft.

Im Zuge der Arbeiten wurden 680 Quadratmeter Blechkanäle neu montiert. 18 Kilometer Kabel wurden neu gezogen, 230 neue Leuchten, sowie 150 neue Sicherheitsleuchten montiert.

Im Publikum saßen neben Medienvertretern auch die Viennale-Chefin Eva Sangiorgi, der seit Juni amtierende Direktor des Bundesdenkmalamts, Christoph Bazil, und der Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden, Gernot Schödl. 

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"Gebt der Stadt Farbe"

"Gebt der Stadt Farbe", das war das Motto des Architekten Robert Kotas, der das Gartenbaukino in den 1950er Jahren erneuerte. Von dem Kinogestalter der Nachkriegszeit ist heute nur noch das Gartenbaukino als einziges seiner Bauten erhalten.

Und auch heute sei laut Architekt Wehdorn weiterhin das Motto: "Gebt der Stadt die Farben", wie eben der wieder in rot leuchtende 30 Jahre alte Vorhang zeige. "Er wurde in einer der größten Waschmaschinen Europas in Niederösterreich gewaschen", sagt Wehdorn.

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"Das Gartenbaukino ist ein Beispiel, wie man mit Geschichte neue Geschichte schreiben kann", sagte Kulturstaatssekretärin Mayer. 600.000 Euro hat der Bund als Unterstützung zur Revitalisierung des Hauses beigesteuert.

Es sei außerdem ein Zeichen des Aufbruchs, denn man investiere hier in die Zukunft und in den Erhalt der Kinos, auch abseits des Mainstreams. 

Für Kulturstadträtin Kaup-Hasler ist das Gartenbaukino "ein magischer Ort". Nichts könne das Gefühl, ins Kino zu gehen, ersetzen. Bereits als sie Intendantin des Steirischen Herbstes war, war die notwendige Renovierung des Kinos immer wieder Thema, sagt sie. Das Kino sei aber auch heute noch ein "Gradmesser für die Kinokultur im ganzen Land". 

"Es geht darum, auch weiterhin die Kinostandorte zu schützen", ergänzt sie. 

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Die 650 seitlichen Wandpaneele im Saal, die sowohl aus Textil, Langloch, Rundloch und Holz bestehen, wurden alle gereinigt, repariert und instandgesetzt, inkl. der 60 Reflektorleuchten mit 120 Glühbirnen.

An den Fliesenwänden auf den Toiletten erfolgten Reinigung, Reparatur und Instandsetzung. Die Möblierung im Foyer wurde anhand der vorhandenen Pläne von Robert Kotas nachgebaut.

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450 Namen stehen auf den Sesseln im Saal

Ein Teil der Sanierung wurde außerdem durch das Crowdfunding "Gartenbaukino Forever" finanziert. 260.000 Euro wurden dabei eingespielt.

Unter anderem konnten Besucher eine Sesselpatenschaft erkaufen. Daher stehen jetzt auch auf 450 der 736 neu gepolsterten Kinosessel Namen - wie etwa Familie Strolz oder Monika Egg.

Die dazugehörigen 802 Armlehnen wurden abgeschliffen und neu lackiert. "Es gibt noch Möglichkeiten, sich zu verewigen", sagt der Direktor des Hauses, Norman Shetler.

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Viennale und 24 Spiel-, Kurz und Dokumentarfilme

Die Viennale findet von 21. bis 31. Oktober statt. Und mit einer Auswahl von 24 Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilmen startet das Gartenbaukino neu durch. Unter anderem zu sehen sein werden das rasante Slapstick-Feuerwerk Sherlock Jr. von und mit Buster Keaton, Joe Dantes charmanter love letter an das Kino seiner Jugend, "Matinee", und "Cinema Paradiso" von Giuseppe Tornatore.

"Ich empfehle vor allem den Film 'Dèmoni' von Lamberto Brava", sagt Kinodirektor Shetler. Außerdem spielt es Looney Tunes für die kleinen Besucher.

Im März 2022 soll erstmals die amerikanische Schriftstellerin und Schauspielerin Fran Lebowitz nach Wien für "Einen Abend mit Lebowitz" in das Gartenbaukino kommen. 

Martin Scorsese porträtierte die Schriftstellerin in der Doku-Miniserie Pretend It’s a City (7 Folgen, 2020, Netflix) in New York.

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