Erste vegane "Fleischerei" Österreichs eröffnet in der Josefstadt
Von Marlene Penz
Blutwurst, aber ohne Blut – dafür mit schwarzen Bohnen. Leberkäse, der „Lebenkäs“ heißt, mit Tofu und Weizeneiweiß. Und Weißwurst aus weißen Bohnen.
Das ist nur der Vorgeschmack auf das, was in der ersten veganen „Fleischerei“ Österreichs verkauft wird. Und weil es dort eben kein Fleisch gibt, heißt sie „Fleischloserei“.
„Bei uns gibt es alles wie in einer klassischen Fleischerei, nur ohne tierische Zutaten“, sagt Gründerin Silke Bernhardt aus Pressbaum in Niederösterreich. Im Juli wird sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten ein Geschäftslokal in der Wiener Josefstädterstraße, unweit des bekannten veganen Burgerlokals „Swing Kitchen“, eröffnen.
Bis dahin sind die pflanzlichen „Fleischspezialitäten“ aus der Produktion der 44-Jährigen mittwochs am „Neubaumarkt“ im 7. Bezirk erhältlich.
Erst im Mai hat sich Bernhardt mit der „Fleischloserei“ selbstständig gemacht – und schon hat sie Stammkunden am Markt. „Eine Käse-Lebenkässemmel bitte“, hört man da. Und: „Bitte vier Spieße zum Mitnehmen.“
Handarbeit
Obwohl es bereits eine große Auswahl an veganen und vegetarischen Fleischalternativen – vom Burgerpatty über „Extravurst“ bis zum Schnitzel – in den Super- und Biomärkten gibt, ist sich Bernhardt sicher, dass es ihre „Fleischloserei“ braucht.
„Es gibt nirgends frische Produkte, alle sind verpackt oder tiefgekühlt“, so die Unternehmerin, die während der Coronapandemie von der Fotografin auf vegane Fleischerin umgesattelt hat.
Bei ihr bekomme man traditionelle Produkte wie Faschiertes, Schmalz, Grammel- oder Fleischknödel – alles auf pflanzlicher Basis und „aus Handarbeit“.
Hilfe vom Metzger
Die Rezepturen hat die Vegetarierin alle selbst erarbeitet – auch mithilfe von Expertinnen und Experten aus der Fleischbranche. „Sie haben mir zum Beispiel erklärt, wie man den Leberkäse so fluffig macht“, erzählt sie.
Das Geheimnis: Es werden Eiswürfel in die Masse eingearbeitet und mitgebacken.
Für alle Produkte verwendet Bernhardt biologische Zutaten, von „regionalen Produzenten, soweit möglich. Der vegane Käse kommt zum Beispiel aus Prinzersdorf.“
Als Gründerin einer Foodcoop – das ist eine Kooperative, zu der sich Haushalte zusammenschließen und gemeinsam Lebensmittel beziehen – habe sie schon in der Vergangenheit Bekanntschaft mit vielen regionalen Erzeugern im Umland von Wien machen können und sei daher in der „Szene“ gut vernetzt.
Beratung an der Theke
„Natürlich“ gebe es auch Kritiker, die sagen: „Wenns schon kein Fleisch essts, warum braucht ihr das dann?“, sagt Bernhardt. Ihre Antwort: „Es ist nur ein Angebot, für jeden passt das nicht.“
Dieses „Angebot“ soll auch richtig präsentiert werden: Mit einer gefliesten Theke und einer Ansprechpartnerin bzw. einem Ansprechpartner dahinter. „Da soll man sich darüber austauschen können, wie man zum Beispiel das Faschierte am besten zubereitet oder darüber, was im vermeintlichen Hühnersalat drin ist.“
Vision Lehrberuf
Bernhardts Zukunftsvision ist übrigens, dass es einen Lehrberuf zur „veganen Fleischerin bzw. zum veganen Fleischer“ gibt.“
In Österreich gibt es derzeit 1.215 Fleischereibetriebe mit 13.510 Beschäftigten, davon sind 318 Lehrlinge. 2005 waren es laut Wirtschaftskammer noch 1.729 Betriebe mit 620 Lehrlingen. „In den vergangenen Jahrzehnten wurde die kleinstrukturierte Versorgung zerstört“, sagt Raimund Plautz, Bundesinnungsmeister der Fleischer.
Statt beim Fleischer wurde in Supermärkten eingekauft, die „Fleisch immer als Aktionsware angepriesen haben. Es wurde auf Masse und Menge produziert“.
Nun beobachtet Plautz allerdings einen – nicht zuletzt pandemiebedingten – Wandel. „Es gibt nun wieder Bestrebungen, die Regionalität wiederzubeleben – auch von den Supermarktketten“, so der Fachmann. Die Ketten würden versuchen, regionale Lieferanten zu bekommen, auch weil der Konsument wieder bereit sei, mehr zu bezahlen.
Weiters habe der Beruf des einen Imagewandel erfahren. „Der Fleischer gilt als Veredler, bei dem man Schmankerl findet. Der gute Beinschinken, die Knacker – die werden vom gelernten Fleischer produziert“, sagt Plautz.
Dieser Umstand habe auch dazu geführt, dass sich immer mehr für eine Lehre interessieren. „Leider ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe zurückgegangen. Nicht nur, weil es weniger Betriebe gibt, sondern auch, weil es vielen zu aufwendig war“, so Plautz.
So kommt es, dass es nun etwa in Kärnten, wo er seit 17 Jahren auch Landesinnungsmeister ist, in den vergangenen Jahren mehr Nachfrage nach Lehrstellen, als Plätze gegeben habe.
Der Markt dafür ist da: Laut einem Bericht des Statista-Instituts aus dem Jahr 2019 ernähren sich 8 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher vegetarisch oder rein pflanzlich, also vegan. Weitere 17 Prozent tun das zumindest zeitweise – Tendenz steigend.
Für die meisten ist das Tierwohl der Grund, aber auch der Umweltaspekt spielt eine Rolle.