Corona: Stadt Wien wegen fristloser Entlassungen nach Feier geklagt
Eine Pensionierungsfeier einer Hausarbeiterin in der Klinik Hietzing mitten in der Corona-Pandemie hat zur fristlosen Entlassung fast aller Beteiligten geführt. Das hat nun ein juristisches Nachspiel. Ein Anwalt reichte im Namen der Betroffenen Klage gegen die Stadt Wien als Dienstgeberin ein, ihm zufolge wurde kein Entlassungsgrund gesetzt, die Dienstgeberin habe "ein bisserl übers Ziel geschossen". Der Gesundheitsverbund verwies auf "mehrfache Dienstpflichtverletzungen".
Masken, Abstand halten, regelmäßiges Testen und Besuchsbeschränkungen - in Wiens Krankenhäuser gelten aufgrund von Corona strenge Regeln. Auch in der Klinik Hietzing ist das der Fall. Allerdings haben 17 Hausarbeiterinnen bzw. Abteilungshelferinnen Ende Februar diese Regeln nicht ganz so genau genommen. Ans Tageslicht kam das Beisammensein, weil Bilder in Sozialen Medien gepostet wurden. Ein anonymes E-Mail machte die Krankenhausleitung schließlich auf die Feier aufmerksam.
Buffet aufgebaut
Im Gespräch mit der APA schilderte Rechtsanwalt Thomas Mödlagl, was - aus Sicht der Betroffenen, die er vertritt - passiert ist: Eine der Frauen habe aufgrund ihrer Pensionierung eine kleine Feier in einem abgelegenen Raum, abseits vom Spitalsalltag organisiert. Dafür habe sie ein kleines Buffet aufgebaut und ihre Kolleginnen ab der Mittagszeit zum Vorbeikommen eingeladen. Auch Getränke seien zur Verfügung gestellt worden - antialkoholische für die Kolleginnen im Dienst und Sekt für die Gastgeberin, da sich diese nicht mehr im Dienst befunden habe. Außerdem wurde ein Geschenkkorb überreicht. Dieser enthielt neben Spezialitäten auch Alkoholika, die allerdings laut Anwalt nicht angerührt worden seien.
"Diejenigen Bediensteten, die an diesem Tag gearbeitet haben, sind in ihrer Essenseinnahmepause in diesen Raum gegangen und haben dort das Essen der Kollegin konsumiert, haben mit Cola und Fanta angestoßen und haben Abschiedsbilder gemacht. Für die Bilder haben sie die Maske abgenommen. Keine der Damen ist laut eigenen Aussagen länger als 30 Minuten geblieben. Sie sind auch nicht gleichzeitig gekommen, außer für den Moment eines Gruppenfotos. Die einen sind gerade gegangen, die anderen gekommen." Laut dem Anwalt wurden die Damen regelmäßig getestet, einige hatten zum damaligen Zeitpunkt bereits die erste Corona-Teilimpfung erhalten.
Die Dienstgeberin Stadt Wien - vertreten durch die MA 2 (Personalangelegenheiten), die über Aufforderung des Gesundheitsverbundes aktiv wurde - reagierte nach Bekanntwerden der Feier. Die betroffenen Frauen, die teilweise 20 Jahre oder sogar länger dort gearbeitet haben, wurden dabei vor die Wahl gestellt, einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses unter Verzicht der Abfertigungsansprüche zuzustimmen oder fristlos entlassen zu werden. Die Maßnahmen wurden mit Verweis auf den Paragraf 45(2), Ziffer 2 der Vertragsbediensteten-Verordnung- schwere Verletzung der Dienstpflichten - gesetzt. Zwei Frauen entschied sich für die einvernehmliche Auflösung. Bei einer weiteren handelt es sich um eine Personalvertreterin, die bisher noch nicht entlassen worden sei.
14 Frauen fristlos entlassen
14 Frauen wurden fristlos entlassen. Diese vertritt Mödlagl nun. "Es stimmt, sie haben im Dienst gefeiert. Aber sie haben im Dienst auch Zeit zu essen und eine halbstündige Pause einzulegen. Und in dieser Zeit waren sie bei der Feier." Seiner Meinung nach hat der Dienstgeber mit den Entlassungen "ein bisserl übers Ziel hinausgeschossen, wenn ich den Damen erlaube, das Mittagessen einzunehmen - und das geht nur ohne Maske. Das machen sie normalerweise in ihrem Aufenthaltsraum. Das ist erlaubt, aber wenn in einem anderen Raum gegessen wird, ist es eine schwere Verletzung der Dienstpflichten".
Naturgemäß anders bewertet der Spitalsbetreiber Gesundheitsverbund, zu dem die Klinik Hietzing gehört, die Situation. "Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen des Wiener Gesundheitsverbundes tragen eine große Verantwortung für die PatientInnen, die wir versorgen und die BewohnerInnen, die wir pflegen. In der aktuellen Pandemie kommt dem Schutz der uns anvertrauten Menschen ganz besondere Bedeutung zu. 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dieser Verantwortung Tag für Tag gerecht - und seit mittlerweile über einem Jahr unter besonders schweren Bedingungen. Gerade im Lichte dessen können wir derart verantwortungsloses Verhalten unter keinen Umständen tolerieren", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.
"Selbstverständlich streng untersagt"
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie seien aus Gründen des Infektionsschutzes derartige Zusammenkünfte wie die Verabschiedung der pensionierten Kollegin "selbstverständlich streng untersagt". Dazu komme noch, dass die Feier in der Dienstzeit stattgefunden habe, es offenbar Alkohol konsumiert worden sei, da alkoholische Getränke auf Fotos zu sehen seien und die verpflichtenden Covid-19-Schutzregeln (Einhalten des Mindestabstands, Maskenpflicht) nicht eingehalten worden seien. Schließlich seien Fotos von der Feier entgegen den organisationsinternen Regeln auf Social Media Profilen veröffentlicht worden.
Angesichts der "mehrfachen Dienstpflichtverletzungen" hätte die Kollegiale Führung die entsprechenden dienstrechtlichen Konsequenzen einleiten müssen. In den unverzüglich angesetzten persönlichen Gesprächen hätten sich lediglich zwei Personen einsichtig gezeigt. Diese zwei Personen stimmten einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu, 14 weitere Personen wurden entlassen.
Die Klage im Namen der entlassenen Frauen wurde Mitte März beim Arbeits- und Sozialgericht eingereicht. Darin wurde festgehalten, seit wann die Klägerinnen im Dienstverhältnis zur Stadt Wien stehen, dass sie keinen Entlassungsgrund gesetzt hätten und dass die Entlassungen rechtswidrig gewesen seien. Die ersten Verhandlungstermine wurden bereits ausgeschrieben. Laut Rechtsanwalt Mödlagl handelt es sich - soweit er feststellen konnte - was Covid-19 betrifft um einen Präzedenzfall: "Es ist in der Vergangenheit aber schon des Öfteren vorgekommen, dass auch mehreren Dienstnehmer und -nehmerinnen gegenüber im Falle angenommener gröblicher Dienstpflichtverletzungen die Entlassung ausgesprochen wurde."