Chronik/Welt

Das Ebola-Virus breitet sich aus

Angesichts der rasanten Ausbreitung der Ebola-Epidemie in Westafrika waren die Gesundheitsminister aus mehreren Staaten der Region am Mittwoch zu einem Krisentreffen zusammengekommen. Während der zweitägigen Konferenz in der ghanaischen Hauptstadt Accra wollten die Minister gemeinsam mit internationalen Experten einen Aktionsplan für den Kampf gegen die hoch ansteckende Krankheit beschließen.

Alarmierende Opferzahlen

Die Konferenz hat auf Einladung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stattgefunden. Erst am Dienstag hatte die WHO neue, alarmierende Opferzahlen vorgelegt: In Guinea, Liberia und Sierra Leone seien bisher 759 Fälle von hämorrhagischem Fieber verzeichnet worden, darunter 544 bestätige Ebola-Fälle.

Von den Infizierten seien 467 Menschen gestorben. Seit dem vergangenen WHO-Bericht von vergangener Woche erhöhte sich damit die Zahl der Toten um fast 130.

Guniea meldet Ebola-Fälle

Als erster Staat in Westafrika hatte Guinea zu Jahresbeginn Ebola-Fälle gemeldet - mit 303 Todesfällen ist das Land bisher am stärksten betroffen. Neben Guinea, Sierra Leone und Liberia waren auch Gambia, Guinea-Bissau, Ghana, Mali, die Elfenbeinküste und der Senegal zur Konferenz in Accra geladen.

Hinzu kommen Uganda und die Demokratische Republik Kongo, die bereits Erfahrungen mit dem Ebola-Virus haben. Auch Vertreter von Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und dem Roten Kreuz sowie Gesundheitsexperten aus mehreren Ländern haben am Treffen teilgenommen.

Gefährdete Länder

Rotes Kreuz in Sierre Leone

In Sierra Leone kämpft der österreichische Arzt Michael Kühnel um den Schutz der Bevölkerung vor Ebola. "Besonders wichtig ist es, die Menschen aufzuklären, wie sie eine Ansteckung vermeiden können", sagte der Katastrophenhelfer des Österreichischen Roten Kreuzes, der sich zur Zeit in Kailahun aufhält.

"Unsere Aufklärungsveranstaltungen kommen sehr gut an. Da in manchen Gebieten die Analphabeten-Rate bei etwa 70 Prozent liegt, erreicht man die Menschen am besten mit persönlichen Gesprächen und über Radiospots."

Keine Medikamente

Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass sich das hoch ansteckende Ebola-Virus in Westafrika ausbreitet - bis dahin war es lediglich im Zentrum Afrikas aufgetreten. Bei der Krankheit leiden die Infizierten an Fieber, Muskelschmerzen, Durchfall sowie in heftigen Fällen an inneren Blutungen und Organversagen.

Gegen die Krankheit existieren bisher keine Medikamente. Bei manchen Erregern verläuft die Seuche in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich.

Der Name Ebola leitet sich von einem Fluss im Nordwesten von Zaire (jetzt: Demokratische Republik Kongo) ab, wo die Krankheit erstmals 1976 auftrat. Ein großer Ausbruch erfolgte 1995, ebenfalls in dem zentralafrikanischen Land. Trotz intensiver Forschung gibt es weder eine Impfung noch ein zugelassenes Medikament. Allerdings sind neue Therapien in Entwicklung.

Am nähesten kamen solche Viren Europa durch die Einfuhr von Affen für Tierversuche. Das Marburg-Virus wurde nach einem Ausbruch infolge von Affenimporten nach Deutschland für Tierversuche im Jahr 1967 so benannt. Erkrankungen und Todesfälle unter Beschäftigten eines Pharma-Unternehmens sorgten damals für Alarm.

Noch immer nicht eindeutig bekannt ist jene Tierart, die als Wirtsorganismus (ohne Erkrankung) für die Ebola-Viren fungiert. Man nimmt an, dass dies Fledermäusen bzw. Ratten sein könnten. Einen echten Nachweis dafür gab es aber bisher nicht.

Infektion gefährlich, aber sporadisch

Ebola-Virus-Infektionen sind gefährlich, treten aber immer nur sporadisch auf. Die Verbreitung in Afrika geschieht vor allem durch die schlechten hygienischen Verhältnisse, zum Beispiel in Krankenhäusern, in die Patienten mit hämorrhagischem Fieber aufgenommen werden. Die Ausbrüche verbreiten sich dort auch über die Teilnahme an Begräbnissen - von Dorf zu Dorf.

Keine "Reisekrankheit"

Für Panik oder Beunruhigung abseits der Ausbrüche ist im Grunde kein Platz. Es handelt sich nicht um eine "Reisekrankheit". Sie wurde auch nie in irgendeinem größeren Ausmaß aus Afrika "exportiert". 2011/2012 gab es Ausbrüche in Uganda.

Stichwort "hämorrhagisches Fieber": Es handelt sich dabei um die gefährlichste Komplikation bei Ebola-, Dengue-Fieber oder ähnlichen Infektionen. Es kommt zu schwersten Gewebe- und Organblutungen. Die Patienten verbluten innerlich und äußerlich. Typisch sind auch Hautblutungen durch geplatzte Gefäße.

Von Affen auf den Menschen

"Das Ebola-Virus gehört zu den sogenannten Filo-Viren. Ihre Erbsubstanz besteht aus RNA. Dazu ist auch das sogenannte Marburg-Virus zu zählen", erläuterte der Wiener Virologe Franz X. Heinz bereits vor einiger Zeit. Es handelt sich um lang gezogene, stäbchenförmige virale Erreger. Die Übertragung erfolgte in der Vergangenheit zumeist von Affen auf den Menschen.

Infektion bei engem Kontakt

Experten rechnen nicht mit Ebola-Erkrankungen in Europa. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand die Erkrankung einschleppt, wäre das österreichische Gesundheitssystem bestens ausgerüstet. Die Patienten würden sofort isoliert und nur von Personal mit Schutzkleidung betreut werden. Überdies ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Touristen sich anstecken.

Das eigentliche Reservoir für Viren ist nicht bekannt. Unter Menschen kommt es am Beginn oft zu kleinen fokalen (herdförmigen, Anm.) Ausbrüchen, die sich weiter ausbreiten. Betroffen sind zumeist Verwandte der Erkrankten und Pflege- bzw. medizinisches Personal. In der Folge kann es dann zu größeren Erkrankungswellen kommen. "Man kann also annehmen, dass enger Kontakt für die Übertragung notwendig ist.

Die Infektion kann auch über Blut und Körperflüssigkeiten erfolgen. Ausgeschlossen wird auch nicht eine Übertragung über Aerosole (Tröpfchen-Infektion, Anm.)", so Heinz.

Sterblickeit: Bis zu 80 Prozent

Gegen die Infektionen existiert bisher keine ursächliche Behandlung. Beim Marburg-Virus wurde eine Sterblichkeit der Patienten von 30 bis 35 Prozent nach einigen Ausbrüchen registriert. Je nach Virusstamm sterben 60 bis 90 Prozent der Patienten.

Nur frühzeitig kann die Anwendung eines Serums den Patienten - eventuell - helfen. Plötzliches hohes Fieber, Durchfall, Kopf-, Hals- und Brustschmerzen sind die eher unspezifischen Symptome am Beginn. Hinzu können schneller Gewichtsverlust und Lungenentzündungen kommen. Die Inkubationszeit beträgt vier bis 16 Tage. Die meisten Infizierten erkranken schließlich (kaum "stumme" Infektionen).

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Frage: Was erwarten Sie von der Krisensitzung in Accra?

Bart Janssens: Wir erwarten, dass die Behörden aller drei Länder die Bedrohung durch die Epidemie anerkennen. Zudem muss die medizinische Betreuung durch neue Behandlungszentren und eine bessere Erforschung der einzelnen Fälle und der Menschen, mit denen Betroffene in Kontakt waren, gestärkt werden. Und auch ein besserer Informationsaustausch seitens der Behörden und der Hilfsorganisationen mit der Bevölkerung ist dringend nötig.

Die Zahl der Ebola-Toten steigt ständig. Warum bekommen die Experten das Virus nicht unter Kontrolle?

Dafür gibt es vor allem zwei Gründe. Erstens besuchen die Menschen Beerdigungen von Ebola-Opfern, bei denen es keinen Schutz vor einer Ansteckung gibt. Zu den Zeremonien kommen Menschen aus anderen Gegenden, die sich infizieren und in ihre Dörfer zurückkehren, ohne zu wissen, dass sie krank sind. Die Inkubationszeit des Virus beträgt bis zu 21 Tage. Zweitens haben die Menschen große Angst vor der Krankheit, weil sie sie nicht kennen und zudem den Gesundheitsstrukturen misstrauen. Oft werden Kranke versteckt und Verdachtsfälle erst gar nicht gemeldet. So stecken sich wiederum Menschen an, die diese Fälle betreuen. Wenn sie dann zwischen den verschiedenen Ländern hin- und herreisen, tragen sie das Virus in immer neue Gegenden.

Wie hilft Ärzte ohne Grenzen in den betroffenen Gebieten?

Wir sind in allen drei Ländern mit insgesamt 300 Mitarbeitern im Einsatz und haben in speziellen Zentren bisher 470 Patienten behandelt, von denen es sich bei 215 um bestätigte Fälle handelte. MSF ist die einzige Organisation, die sich um die Versorgung von Ebola-Kranken kümmert. Aber wir sind an unserer Grenze angekommen. Derzeit hat MSF weder das Personal noch die medizinischen Hilfsmittel, um Teams in neue betroffene Regionen zu entsenden. Die Weltgesundheitsorganisation und die Behörden müssen ihren Einsatz maßgeblich ausweiten, um mögliche Infizierte ausfindig zu machen und ein immer größeres Gebiet abzudecken.

Was ist derzeit die größte Gefahr für Westafrika?

Als das Virus Mitte März erstmals auftrat, gab es kaum ein Risiko, dass es sich weiträumig auf andere Länder ausbreiten würde. Aber dieses Risiko wächst. Die Epidemie greift immer weiter um sich, weil die Menschen in verschiedene Länder reisen. Wir hatten alle gedacht, wir hätten das Virus besiegt, aber das war nicht der Fall. Alle müssen jetzt helfen, damit die Bevölkerung die notwendigen Schutzmaßnahmen akzeptiert.

Tun die Regierungen in den betroffenen Ländern genug? Verstehen sie den Ernst der Lage?

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Krankheit ganz neu für die Region ist. Es ist nicht leicht für Behörden und Hilfsorganisationen, sich schnell auf so eine Situation einzustellen. Die Gesundheitsministerien haben viel getan, aber abgesehen von politischen Entscheidungen sind manchmal ganz pragmatische Schritte nötig. Am wichtigsten ist es, dass die Öffentlichkeit die Krankheit endlich versteht.

(Das Interview führte Carola Frentzen/dpa)