Chronik/Welt

Mindestens 19 Kinder bei Amoklauf an US-Grundschule getötet

Ein Amoklauf erschüttert die USA: Ein 18-Jähriger hat am Dienstag in einer Volksschule in Texas das Feuer eröffnet und mindestens 19 Schulkinder getötet. Es handelt sich um eines der verheerendsten Schulmassaker in der US-Geschichte. Den Ermittlern zufolge betrat der Schütze am Dienstagnachmittag die Schule in der Kleinstadt Uvalde und schoss um sich. Auch mindestens zwei Erwachsene, darunter eine Lehrerin, wurden bei dem Vorfall getötet. 

Der Schütze wurde ersten Erkenntnissen nach von Sicherheitskräften getötet, er soll zuvor seine Großmutter angeschossen haben. Sie schwebt im Krankenhaus in Lebensgefahr.

 

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Der Ablauf der Tat

Laut Polizeiangaben fuhr der 18-jährige Salvador Ramos gegen 11:30 Uhr Ortszeit mit dem Auto an der Robb-Grundschule vor, die rund 570 Zweit-, Dritt- und Viertklässler unterrichtet, und produzierte dabei einen Unfall im Straßengraben. Was dann genau passierte, so Polizeichef Pete Arredondo, bleibt schemenhaft.

Aus der Nachbarschaft aufgenommene Handy-Videos zeigen, wie der mit Schutz-Weste ausgestattete Täter unbehelligt durch einen Seiteneingang in das Gebäude eindringen konnte; offenbar mit einer Handfeuerwaffe und einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr. 

Auf einem inzwischen gesperrten Instagram-Konto ist Ramos auf einem Schwarz-Weiß-Selfie mit zwei schweren Waffen zu sehen. Kurz vor der Tat kommunizierte er laut Behörden mit einer anonymen jungen Frau und machte diffuse Andeutungen, das etwas bevorstehe.

Nach noch sehr vorläufigem Ermittlungsstand lieferte sich der Täter nach den Schüssen auf seine „Abuela” (Oma) in deren Haus mit Beamten der Grenzschutzbehörde einen Schusswechsel, fuhr dann zur Schule, wo er ebenfalls unter Feuer genommen wurde, bevor er sich 45 Minuten lang in einem Klassenzimmer verbarrikadierte.

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Erste Polizeimeldungen gaben zunächst keinerlei Aufschluss über die Dimension der Tragödie, die sogar den Amoklauf in Parkland/Florida übertrifft, wo vor vier Jahren 17 Schülerinnen und Schüler an einer Highschool von einem psychisch kranken Ex-Schüler getötet worden waren.

Es war erst von rund zehn Verletzten die Rede, die in Uvalde und der nächsten Großstadt San Antonio in Krankenhäusern notärztlich behandelt würden. Details: Keine. Später war dann zu hören, dass zwei Kinder bereits tot im Spital ankamen, drei weitere nach San Antonio ausgeflogen wurden und eine 66-Jährige (die Oma des Täters?) sowie ein zehnjähriges Mädchen um ihr Leben kämpften.

Erst am Nachmittag ging Texas' Gouverneur Greg Abbott vor die Kameras und nannte die erste, später mehrfach nach oben korrigierte Opferzahl: 14.

Zeitgleich wurden Eltern in eine Sammelstelle nahe des Tatorts gerufen um ihre Kinder abzuholen. Oder die Todesnachricht zu empfangen. Viele Schüler, die es heil aus der sofort abgeriegelten Schule schafften, suchten laut Lokaljournalisten Zuflucht in einem nahe gelegenen Beerdigungsinstitut.

"Wir müssen mehr tun"

Nach seiner Rückkehr aus Asien äußerte sich auch US-Präsident Joe Biden zu dem Massaker und fordert, dass man sich endlich von der Waffenlobby lösen müsse. "Solche Attentate passieren nirgendwo anders in der Welt so oft wie in den USA. Aber warum? Warum leben wir mit damit?", fragte der Präsident in seiner Ansprache. Auch in anderen Ländern gibt es Menschen mit psychischen Krankheiten. "Wir müssen mehr tun", meint Biden.

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Kleinstadt in Texas

Uvalde ist eine kleine Stadt mit rund 16.000 Einwohnern etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Mexiko entfernt. Die Volksschule unterrichtet die 2. bis 4. Klassen und hatte im vergangenen Schuljahr laut CNN 535 Schüler und Schülerinnen, wie aus staatlichen Daten hervorgeht.

Etwa 90 Prozent der Schüler sind lateinamerikanischer Herkunft und kommen großteils aus Arbeiterfamilien. Donnerstag sollte der letzte Schultag vor der Sommerpause sein. Das aktuelle Schuljahr sei nun bereits vorzeitig beendet worden, hieß es von Verantwortlichen.

Auf der Facebook-Seite der Schule waren noch die Ankündigungen von Ausflügen in den Zoo oder Projekte der Kinder zu sehen. Erst vergangene Woche dankten die Verantwortlichen den Beamten des Gebiets. "Ein großes Dankeschön an die wahren Helden, die wir Polizisten nennen", hieß es da.

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Die Ermittler gehen laut ersten Informationen davon aus, dass der Schütze allein gehandelt hat. "Der Verdächtige ist tot", sagte der Polizeichef am Dienstagnachmittag (Ortszeit) in der Kleinstadt Uvalde. Es handle sich um ein "abscheuliches" Verbrechen. Ermittler seien noch am Tatort.

Der Sender CNN berichtete, der Schütze sei zu der Schule gefahren und habe mit seinem Auto einen Unfall gebaut. Danach habe er das Gebäude mit einem Gewehr und einer Pistole betreten. Dabei trug er einen Rucksack und eine Schutzweste. In der Schule habe er das Feuer eröffnet. Der 18-Jährige sei dann vom Sicherheitspersonal der Schule gestellt worden.

Die Universitäts-Klinik in San Antonio twitterte, es seien zwei Verletzte aus der Schießerei aufgenommen worden, eine 66 Jahre alte Frau und ein zehn Jahre altes Mädchen. Beide seien in einem kritischen Zustand. Viele weitere Kinder und Erwachsene seien zudem in ärztlicher Behandlung.

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US-Präsident Joe Biden forderte in einer ersten Reaktion zum wiederholten Male schärfere Waffengesetze. "Als Nation müssen wir uns fragen, wann in Gottes Namen wir der Waffenlobby die Stirn bieten werden", sagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus. "Die Vorstellung, dass ein 18-jähriger Bursche in ein Waffengeschäft gehen und zwei Sturmgewehre kaufen kann, ist einfach falsch."

Erinnerung an frühere Vorfälle

Amokläufe, auch an Schulen, kommen in den USA in trauriger Regelmäßigkeit vor. Besondere Erschütterung hatte ein Massaker an einer Volksschule vor zehn Jahren ausgelöst: Im Dezember 2012 hatte ein 20-Jähriger mit schweren psychischen Problemen in Newtown im Bundesstaat Connecticut zunächst seine Mutter erschossen. Dann war er in seine Volksschule, die Sandy Hook Elementary School, gegangen und hatte dort 20 Schulkinder und sechs Lehrer getötet. Anschließend brachte er sich selbst um. Die Tat löste damals landesweit einen Schock aus und sorgte auch über die Grenzen der USA hinaus Entsetzen aus.

Erst vor gut einer Woche hatte ein Schütze mit einem Sturmgewehr in Buffalo im US-Bundesstaat New York in einem Supermarkt das Feuer eröffnet, zehn Menschen erschossen und drei weitere verletzt. Er wurde noch am Tatort festgenommen. Den Ermittlern zufolge war die Tat rassistisch motiviert - elf der 13 Opfer waren schwarz. Buffalo hat eine mehrheitlich schwarze Bevölkerung.

61 Amokläufe im Jahr 2021

Im vergangenen Jahr zählte die US-Bundespolizei FBI 61 Amokläufe mit Schusswaffen in den Vereinigten Staaten. Das seien mehr als 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor, teilte das FBI am Montagabend (Ortszeit) in Washington mit. Seit 2017 habe sich die Zahl verdoppelt. 2021 seien bei Amokläufen 103 Menschen getötet und 140 verletzt worden. Auch das sei ein Anstieg um knapp 50 Prozent gegenüber 2020. 60 der 61 Schützen waren den Angaben zufolge Männer. Das FBI nutzt für die Zählung eine strenge Definition: Es geht ausschließlich um Fälle, in denen ein Täter in der Öffentlichkeit auf Menschen schießt, um sie zu töten. Nicht beachtet werden klassische Kriminalfälle mit Waffengewalt oder etwa Schießereien unter Bandenmitgliedern.

Das Ausmaß an Waffengewalt insgesamt ist in den USA ungleich größer. Es kommt regelmäßig zu tödlichen Vorfällen mit Schusswaffen, die dort leicht zu kaufen sind. Die Gesundheitsbehörde CDC verzeichnete in ihrer jüngsten Statistik aus dem Jahr 2020 insgesamt 45.222 Schusswaffentote in den USA - mehr als 120 Tote pro Tag.