New Yorker Polizist lässt Sohn in Garage erfrieren
Es begann mit einem Notruf am Morgen des 17. Jänner. Michael V., 40 Jahre alt, Vater von sechs Kindern und Polizist in New York, hatte ihn selbst abgesetzt. Sein Sohn Thomas sei in der Einfahrt seines Hauses auf Long Island gestürzt, während er auf den Schulbus gewartet habe, sagte er.
Als die Helfer vor Ort eintrafen, hatte V. seinen acht Jahre alten Sohn in den Keller gebracht und versucht ihn wiederzubeleben. Im Krankenhaus konnte jedoch nur noch sein Tod festgestellt werden. Thomas‘ Körpertemperatur zu dem Zeitpunkt: 24,4 Grad.
Einer Ersthelferin fiel bereits da auf, dass die Angaben von V. aus dem Notruf nicht stimmen konnten. 24 Grad Körpertemperatur, nachdem er am Morgen auf dem Weg zur Schule ausgerutscht sein soll? Dazu hatte Thomas unerklärte Kopf- und Gesichtsverletzungen. "So, als sei er über die Straße geschleift worden", sollte Geraldine Hart, Kommissarin bei der zuständigen Suffolk County Polizei, bei einer Pressekonferenz später sagen.
Michael V. und seine zwei Jahre ältere Verlobte Angelina P. waren da bereits wegen Mordes zweiten Grades angeklagt. Laut US-Recht "Mord ohne Heimtücke". Die beiden sollen ihren Sohn, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, in der eisig kalten Nacht, bei Außentemperaturen von minus sieben Grad, lediglich mit einer Jogginghose bekleidet in der Garage gefesselt haben. Der achtjährige Thomas erfror in der Obhut seiner Eltern.
Es war das Ende eines jahrelangen Martyriums. Thomas wurde erniedrigt und geschlagen, ihm wurden Essen und saubere Kleidung verwehrt. Laut Staatsanwältin Kerriann Kelly seien Thomas und sein um zwei Jahre älterer Bruder Anthony unterernährt gewesen, hätten in der Schule regelrecht um Essen gebettelt. Die beiden wären komplett verwahrlost gewesen, waren ungewaschen, stanken nach Urin. Lehrer steckten ihnen immer wieder Essen und Kleidung zu. Heimlich, damit die beiden nicht bestraft werden. Sie wurden "auf eine Weise behandelt, die geradezu grausam, gefühllos, mutwillig und böse war", sagte Staatsanwältin Kelly während der ersten gerichtlichen Anhörung zu dem Fall. Auch der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs steht im Raum, berichtet der Stern.
Behördenversagen
17 Notrufe wurden deshalb über die Jahre allein bei der staatlichen Hotline für Kindesmisshandlung unter anderem von der leiblichen Mutter der misshandelten Brüder, Justyna Z., abgesetzt.
Sie erhob gegenüber der New Yorker Presse nun auch schwere Vorwürfe. Polizisten und Sozialarbeiter, Anwälte und Richter habe sie aufmerksam gemacht, was ihre Söhne bei ihrem Ex-Ehemann erdulden müssen. Keine Reaktion. Im Gegenteil. Wie die New York Post berichtet, glaubte ihr nicht nur niemand, man stellte sie sogar als gekränkte Frau hin, die sich lediglich an ihrem Ex-Mann rächen wolle. Ein Familiengericht in Suffolk County bezeichnete sie gar als psychisch krank.
In nur vier Fällen wurde den zahlreichen Hinweisen auch nachgegangen. Konsequenzen für den angesehenen Polizisten Michael und seine Frau gab es keine.
Dass Thomas' Tod wohl verhindert hätte werden können, sorgte in den vergangenen Wochen auch auf politischer Ebene für Diskussionen. Eine Gruppe um die leibliche Mutter Justyna Z. demonstrierte erst am Wochenende für Änderungen im "kaputten System". Auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio meldete sich zu Wort. "Sollten sich alle Fakten bestätigen, ist das jemand, der nach meiner Meinung in der Hölle brennen sollte", sagte de Blasio während einer Pressekonferenz in Brooklyn.
Fast täglich kommen inzwischen neue Details aus dem tragischen Leben von Thomas und seinem Bruder ans Licht.
So brachte Michael V. seine drei Söhne im Alter von sechs, acht und zehn in die neue Beziehung mit Angelina P. Von den insgesamt sechs Kindern - Angelinas drei Mädchen sind elf Jahre (Zwillinge) und sechs - der neuen Patchworkfamilie war Thomas immer der ärmste, berichtete ein Kindermädchen, das 2017 ein Jahr lang bei der Familie gearbeitet hatte, gegenüber US-Medien. In der gesamten Familie hätte es verbalen Missbrauch gegeben. "Sie wurden alle beschimpft", sagte Amanda W. erst vergangene Woche in einer TV-Sendung. Weil er Angelina P. nicht "Mama" nennen wollte, hätte Thomas schon damals immer in der Garage schlafen müssen.
Familienchats zeigen Einstellung der Eltern
Laut Amanda W. sei Stiefmutter Angelina der Aggressor in der Familie gewesen. "Sie gab den Ton vor, Michael ist ihr nur gefolgt."
Wie abschätzig die beiden über Thomas und Anthony sprachen, belegt auch eine Szene aus dem Krankenhaus. "Ich habe schon stressigere Dinge erlebt", soll Michael V. gesagt haben, als er vom Tod seines Sohnes erfuhr.
In einer Handy-Nachricht, die die Staatsanwaltschaft vor Gericht zitierte, schrieb Angelina P. an ihren Mann, sie wolle den Jungen nicht in die Schule schicken. "Ich habe keine Kleidung für das Stück Scheiße, Thomas, der geht nirgendwohin." Die Antwort des Vaters: "Oh Gott, es scheint, als müsste er gehen. Schade, dass er kein Badezimmer hat." Offenbar war Thomas zu diesem Zeitpunkt wieder über lange Zeit eingesperrt gewesen, ohne sich waschen zu können. "Ja, wirklich", schrieb Angelina P. zurück, "wenn er doch nur in ein Badezimmer könnte".
Links:
Stern.de
New York Post