Chronik/Welt

Wie London die Schulkinder abhanden kommen

Die St. Mary’s Primary School im Londoner Stadtteil Hackney ist für Elzbieta Gontarska die ideale Schule. Sie ist lokal gelegen und die Lehrpersonen sind so engagiert, dass sie sich wie ein Teil der Familie anfühlen, erzählt sie der Hackney Gazette. Trotzdem muss sich die Britin derzeit für ihre sechsjährige Tochter nach einer Alternative umsehen. Denn der Bezirk wird die St. Mary’s, ebenso wie vier weitere Volksschulen im Umkreis, schließen. 

Insgesamt hat der Bezirk in den vergangenen sieben Jahren rund 4.000 Volksschulplätze abgebaut. Hackney bildet dabei keine Ausnahme. Denn der englischen Hauptstadt geht ihre wichtigste Ressource für den Fortbestand einer Schule aus: die Kinder. Derzeit sind rund 3.000 Schulen im Großraum London für 1,4 Millionen Schulkinder da. Bis 2028 sollen es laut BBC rund 52.000 Schüler weniger sein. 

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Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen fällt in England die Geburtenrate seit 15 Jahren. Während sich 2009 eine Frau im Schnitt für 1,95 Kinder entschied, bekommt sie heute 1,49 Kinder; das ist die niedrigste Zahl seit 1939. 

Spezialfall London

Zwar fällt die Geburtenrate im ganze Land (und zwar so sehr, dass bis 2030 17.000 Klassen weniger benötigt werden) und doch schrumpft die Zahl der Schulkinder in London doppelt so schnell wie im Rest des Landes. Lebenskostenkrise, horrende Wohnpreise und Gentrifizierung verdrängen immer mehr junge Familien.

Der Journalist Rob Hasting erzählt in der i Zeitung von befreundeten Paaren, die von London in den Norden gezogen sind, weil sie sich dort nicht nur ein deutlich größeres Haus leisten können, sondern jährlich tausende Euro bei der Kindererziehung sparen können.

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In Hackney, erzählt ihm Emma Garnett wiederum, gab es bis vor kurzem Bäcker, „die schon seit 100 Jahren im Geschäft waren“ und die nun vom Markt verschwunden sind. „Jetzt kann ich es mir nicht mehr leisten, einen Laib Brot zu kaufen, weil es alles spezieller Sauerteig ist und etwa sechs Pfund kostet.“ 

Emma Garnett hat im Juli ihren Beruf als Assistenzlehrerin verloren, als mit der Randal Cremer eine weitere lang etablierte Volksschule geschlossen wurde. Garnett sorgt sich aber nicht nur um ihren Job, sondern die Stadt im Allgemeinen: „Wie wird London in Zukunft aussehen? Wird es eine kinderlose Gesellschaft?“

Der Dominoeffekt

„London“, sagt Ian Edwards vom Londoner Stadtratsbüro für Kinder und Jugendliche zum Guardian, „hat derzeit einige der besten Schulen des Landes. Aber der Rückgang an Schulplatz-Nachfragen bedeutet, dass die Schulen vor extrem schwierigen Entscheidungen stehen, wie sie ihre Budgets ausgleichen können.“ Denn weniger Schulkinder bedeuten weniger Förderzahlungen vom Staat. Bis 2030 könnten den britischen Gemeinden umgerechnet 1,2 Milliarden Euro entgehen.

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Kinder werden auch schon bald nicht nur in Volksschulen, sondern auch in den weiterführenden secondary und grammar schools fehlen. Konkret dürften die ersten Klassen der Mittelschulen und Gymnasien um jedes Jahr nun vier Prozent weniger Anmeldungen haben.

In den englischen Grafschaften Cambridgeshire und Central Bedfordshire kommt es dafür nun zum umgekehrten Dilemma. Durch den überdurchschnittlichen Familienzuzug sind einige Schulen nun so voll, das Schüler abgewiesen werden müssen.