Chronik/Österreich

Tempobremse für Lkw gefordert

Wenn Verkehrsexperten auf Autobahnen unterwegs sind, dann schauen sie meist penibel darauf, besonders bei Baustellen keinen Lkw hinter sich zu haben. Denn selbst wenn dieser bei Tempo 80 einen auf den ersten Blick ausreichenden Sicherheitsabstand von knapp 30 Metern einhält, kommt es bei einer Vollbremsung mit dem Auto sehr wahrscheinlich zu einem Unfall.

Denn die Brems- und Anhaltewege des Schwerverkehrs sind völlig andere. "Durch immer beliebtere chinesische Billigreifen verlängert sich der Bremsweg der Lkw oft um ein weiteres Drittel", erklärt Ernst Pfleger. Er ist Universitätsprofessor für Verkehrsplanung und seit Jahrzehnten in der Unfallforschung tätig. Tatsächlich ist es so, dass ein Lkw mit 60 km/h etwa den gleichen Anhalteweg hat wie ein Pkw mit Tempo 80 (siehe Grafik unten). Der Grund dafür ist schlechtere Rundumsicht, dadurch langsamere Reaktionszeit und durch das hohe Gewicht eine weit schlechtere Bremsleistung.

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Verkehrsexperten raten deshalb seit Jahren, unterschiedliche Geschwindigkeitslimits für Schwerverkehr und Autos vorzuschreiben. Politik und Straßenerhalter hingegen versuchen, das sichtlich zu vermeiden. Denn: Bei Tempo 80 ist die Durchflussmenge am höchsten. Das bedeutet, dass bei dieser Geschwindigkeit die höchste Zahl an Fahrzeugen durchgeschleust werden kann. Deshalb gilt bei vielen Baustellen und Stadteinfahrten 80 km/h als Limit. Für den Verkehrsfluss ist das ideal.

Sicherheit

Lkw mit Tempo 60 würden diesen Ablauf stören. "Der Verkehrsfluss ist deshalb meist wichtiger als die Verkehrssicherheit", kritisiert Pfleger. Zu bewundern sei dies derzeit auch bei der "insgesamt katastrophalen" Baustelle beim Knoten Prater auf der Südost-Tangente in Wien. Dort gelten derzeit 60 km/h für alle. "Am besten wäre Tempo 40 für Lkw oder zumindest 50", erklärt Pfleger.Den gleichen Disput gibt es seit einem halben Jahr in Salzburg.

Der Unfall-Sachverständige Gerhard Kronreif untersuchte dabei die Folgen des allgemeinen Tempo 80, wenn der Grenzwert aus Umweltschutzgründen (IG-Luft) erlassen wird. Das überraschende Ergebnis: Die Zahl der Unfälle hat sich im Vergleich zum sonst gültigen Tempo 100 verdoppelt. Denn da fuhren nur die Pkw und Motorräder so schnell, beim Schwerverkehr ist der Motor bekanntlich bei 85–89 km/h (je nach Alter des Modells) abgeriegelt. Als beide Gruppen plötzlich die gleiche Geschwindigkeit, nämlich 80, fuhren, nahmen die Unfallzahlen zu – bei einigen Unfallarten gab es sogar eine Verdreifachung, berichtet Kronreif.Besonders gefährlich wird es bei den Ein- und Ausfahrten. Sind die Pkw etwas schneller, dann bewegen sie sich etwa bei der Auffahrt auf die Autobahn stets weg von den hinter ihnen fahrenden Lkw. Haben beide die gleiche Geschwindigkeit und ein Pkw muss beim Einordnen oder Wechseln der Spur leicht abbremsen, kann es Probleme geben.

Pfleger meint, dass die Überkopfwegweiser verstärkt für unterschiedliche Tempolimits verwendet werden sollten: "Diese werden ohnehin viel zu selten eingesetzt". Der bei der Einführung versprochene Sicherheitsgewinn sei nicht erreicht worden, weil diese zu oft für Nebensächlichkeiten wie "Bei Staubildung: Rettungsgasse!" verwendet würden.