Studie: Fast jede/r Zweite wird diskriminiert
Es trifft die Hälfte der Bevölkerung: Diskriminierung, also eine schlechtere Behandlung aufgrund von Geschlecht, Familienstand, Alter, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Beeinträchtigung oder sozialer Stellung. Das zeigt eine neue Studie von SORA im Auftrag der Arbeiterkammer, für die 2.300 Personen zwischen 14 und 65 Jahren befragt wurden.
Die Arbeiterkammer fordert, den Schutz vor Diskriminierung auszuweiten: „Wenn fast jede bzw. jeder Zweite einmal diskriminiert wurde, ist das kein Minderheitenproblem mehr, das alle anderen nichts angeht. Wir brauchen hier mehr Solidarität und mehr Respekt!“, so AK Präsidentin Renate Anderl.
43 Prozent persönlich betroffen
Fast die Hälfte aller Befragten (43%) gibt an, sich in den Jahren 2016 bis 2018 zumindest einmal in einem der vier abgefragten Lebensbereiche schlechter behandelt bzw. diskriminiert gefühlt zu haben. Wer in welchem Bereich wie häufig Diskriminierung erlebt, ist aber stark von individuellen Merkmalen abhängig.
So erleben Personen mit Migrationshintergrund oder einer muslimischen Religionszugehörigkeit doppelt so häufig (62 bzw. 78 Prozent) eine Schlechterbehandlung als Personen ohne Migrationshintergrund (37 Prozent) oder mit einer christlichen Religionszugehörigkeit (39 Prozent).
Schwule, lesbische oder bisexuelle Befragte weisen gegenüber heterosexuellen Befragten eine mehr als drei Mal so hohe Wahrscheinlichkeit auf, eine Schlechterbehandlung zu erleben. Menschen, die sich weiter unten in der Gesellschaft sehen, geben doppelt so häufig an, auch aufgrund ihrer sozialen Lage diskriminiert worden zu sein, als Menschen, die sich z.B. in der Mitte der Gesellschaft sehen.
Am häufigsten haben die Befragten (21Prozent) in den letzten 3 Jahren persönlich Diskriminierungserfahrungen in der Arbeitswelt gemacht. Als häufigste Gründe werden Nachteile beim Einkommen, beim Aufstieg oder bei Gehaltserhöhungen sowie bei der Jobvergabe aufgrund persönlicher Merkmale genannt.
13 Prozent der Befragten haben in den letzten 3 Jahren Diskriminierung im Bereich Wohnen (Wohnungssuche bzw. in der Wohnumgebung) erlebt. Besonders häufig werden überteuerte Mieten und keine Rückmeldungen auf Besichtigungsanfragen erlebt.
Im Gesundheitsbereich geben 8 Prozent der Befragten an, in den vergangenen 3 Jahren Benachteiligungen bei der medizinischen Versorgung erlebt zu haben. Vor allem schlechtere Behandlung, Wartezeiten auf Behandlungen und hohe Behandlungskosten wurden als diskriminierend wahrgenommen. Erzählt wird, dass kaum Zeit für ihre Anliegen war und Beschwerden nicht ernst genommen wurden.
10 Prozent geben an, dass sie im Bildungsbereich Diskriminierung erlebt haben. Vor allem abwertendes Verhalten von Lehrern, unfaire Benotung und im Unterricht nicht zu Wort kommen werden am häufigsten erlebt.
Problem Machtgefälle
Auffallendes Ergebnis der SORA-Studie: In allen Bereichen ist für Diskriminierung das Machtgefälle relevant. So geht von Vorgesetzten im Unternehmen, VermieterInnen und Hausverwaltungen, ÄrztInnen und Pflegepersonal sowie Lehrpersonal häufiger Diskriminierung aus als von ArbeitskollegInnen, MitschülerInnen oder Wohnungsnachbarn.
Außerdem zeigt die Studie, dass der soziale Status ein wichtiger Faktor für Benachteiligung ist: Menschen mit niedrigerem sozialem Status haben ein deutlich höheres Diskriminierungsrisiko als jene mit hohem sozialem Status.
Maßnahmenpaket
Aus AK Sicht ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig, um Menschen vor Diskriminierung zu schützen:
+ Verbesserungen im Gleichbehandlungsrecht Einen Schutz vor Diskriminierung gibt es in Beschäftigung und Beruf aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der sexuellen Orientierung, des Alters, der Behinderung, der Religion oder Weltanschauung.
Lücken gibt es allerdings außerhalb der Arbeitswelt - hier sind nur die Merkmale Geschlecht, ethnische Herkunft und Behinderung geschützt. Der Schutz muss auch für die Merkmale der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion oder Weltanschauung gelten (Levelling-up).
+ Ausbau der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der NGO, die bei Diskriminierung unterstützen, sowie bessere Ausstattung der Gleichbehandlungskommission: eine Wartezeit von durchschnittlich 1,5 Jahren bei Diskriminierungen in der Arbeitswelt ist für Betroffene eine Zumutung, die Entscheidungen müssen rascher gefällt werden.
+ Strukturelle Benachteiligungen beseitigen Chancengleichheit muss in allen Bereichen hergestellt werden: Das beginnt bei einem Ausbau der Elementarbildung, Ganztagsschulen und einem durchlässigen Bildungssystem, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Zugang zu leistbarem Wohnraum bis hin zu transparenten Strukturen bei der Bezahlung und beim Berufsaufstieg und familienfreundlichen Arbeitszeiten.