Riesiger Handel mit Dschihadisten-Droge: Langjährige Haftstrafen
Am Landesgericht Salzburg ist Montagabend der monatelange Prozess um einen groß angelegten Handel mit der "Dschihadisten-Droge" Captagon zu Ende gegangen. Acht der insgesamt 14 Angeklagten wurden zu teilweise langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, die anderen sechs im Zweifel freigesprochen. Der Hauptangeklagte erhielt heute neun Jahre Haft, auch mehrere Mitglieder seiner Familie müssen ins Gefängnis. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Wie Gerichtssprecher Peter Egger mitteilte, wurde der Sohn des Mannes zu 6,5 Jahren, seine Ex-Frau und seine Tochter zu jeweils drei Jahre Haft verurteilt. Vier weitere Beschuldigte erhielten Strafen von 2,5 bis 7,5 Jahren. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten Mitglieder einer internationalen Organisation gewesen sein, die in großem Stil Captagon-Tabletten vom Libanon über die EU nach Saudi-Arabien geschmuggelt hat.
Zentrale im Flachgau
Im Verfahren ging es um 13,8 Millionen Pillen mit einem geschätzten Verkaufswert von 40 Millionen Euro. Umschlagplatz war dabei offenbar eine Pizzeria in der keinen Flachgauer Ortschaft Bürmoos. Die Drogen wurden - versteckt in den Hohlräumen von Rollen mit Plastikfolie - zunächst auf dem Seeweg nach Belgien und vor dort nach Bürmoos transportiert.
In Österreich wurde umgepackt. Die Tabletten verschwanden nun in Industrie-Pizzaöfen, Waschmaschinen und anderen Elektrogeräten und wurden so nach Saudi-Arabien verfrachtet. Der große Umweg wurde gewählt, weil Importe aus der EU in Saudi-Arabien offenbar deutlich weniger kontrolliert werden als die Wareneinfuhr aus dem Vorderen Orient.
Suchtgift und organisierte Kriminalität
Elf Männer und drei Frauen im Alter von 27 bis 54, die vorwiegend aus dem arabischen Raum bzw. dem Libanon stammen, wurden schließlich wegen Suchtgifthandels und Beteiligung an einer kriminellen Organisation angeklagt. Viele sind miteinander verwandt. Einige von ihnen wohnten vor ihrer Festnahme in Stadt und Land Salzburg. Was die Staatsbürgerschaft betrifft, handelt es sich um sechs Österreicher, drei Syrer, einen Libanesen, einen Belgier, einen Deutschen, einen Türken und einen Ungarn.
Ein Beschuldigter war der Verhandlung ferngeblieben. Abgesehen vom Betreiber der Pizzeria, der einen Teil der Vorwürfe zugab, bekannten sich alle Angeklagten nicht schuldig.
Der Prozess hat bereits Mitte Dezember 2021 begonnen und war bis 26. Jänner anberaumt. Doch am 12. Jänner musste vertagt werden, weil die beisitzende Richterin des Schöffensenates erkrankte. Knapp zwei Wochen später wurde der Prozess mit einer neuen Richterin fortgesetzt, musste aber wegen des Wechsels wieder von vorne begonnen werden.
Affäre des Krozeugen
Für Aufregung hatte schon vor Verhandlungsbeginn im Herbst die heimliche Liaison des Kronzeugen mit jener Dolmetscherin gesorgt, die im Ermittlungsverfahren übersetzt hatte. Etliche Seiten von Protokollen mussten deshalb von einem anderen Dolmetscher neu übersetzt werden.
Captagon war in den 1960er-Jahren als Medikament entwickelt worden, um zur Behandlung von z. B. ADHS eingesetzt zu werden. Es enthält den Wirkstoff Fenetyllin, das als Suchtgift gilt. Die Wirkung ist ähnlich der von Amphetamin und wirkt direkt auf das zentrale Nerven- sowie das Herz-Kreislaufsystem, weil sie die Blut-Hirn-Schranke durchbricht.
Diese Droge wird laut Polizei auch öfters in Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen gebracht, da der Wirkstoff aufputschend wirkt und den Konsumenten u. a. furchtlos, unempfindlich gegen Schmerz etc. erscheinen lässt. Die Nebenwirkungen können bis zum Tod reichen.