Chronik/Österreich

Motorradunfälle: Ein falscher Blick kann tödlich sein

Es war ein Fasan, der dem 31-jährigen Motorradfahrer am vergangenen Sonntag das Leben kostete. Der Vogel prallte gegen seinen Helm, als er mit seiner grünen Kawasaki Ninja – mit maximal 295 km/h eines der schnellsten Straßenmotorräder, die es derzeit gibt – über die B 46 im Bezirk Mistelbach fuhr. Der Biker verlor seinen Helm, kam zu Sturz und prallte mit dem Kopf gegen ein Kilometerschild. Er überschlug sich über eine Böschung und blieb regungslos liegen.

Der Tscheche war bereits das 83. Motorradopfer der Saison in Österreich. Erstmals seit dem Jahr 2003 könnte die traurige Grenze von 100 getöteten Bikern wieder durchbrochen werden. Über das Warum wird in Fachkreisen derzeit heftig debattiert. Der bekannte Wiener Unfallforscher Ernst Pfleger hat für das Verkehrsministerium eine aktuelle und umfangreiche Untersuchung mit einer speziellen Brille durchgeführt. Mit dieser können die Blicke von Motorradlenkern aufgezeichnet werden. So wird herausgefunden, wohin die Lenker während der Fahrt schauen. Die Ergebnisse sind teilweise – selbst für die Fachwelt – mehr als überraschend.

Abgedeckte Kurven

„Jeder Autofahrer benötigt sechs bis acht Bezugspunkte, um eine Kurve einschätzen zu können“, erklärt Pfleger. Solche Punkte sind etwa die (meist) rot-weißen Kurvenpfeile, Bäume am Fahrbahnrand oder die Ständer von Leitplanken. Letztere werden aber immer häufiger abgedeckt. Da sich viele Biker bei Stürzen hier die Gliedmaßen abgetrennt haben, wird seit rund zehn Jahren ein sogenannter Unterfahrschutz montiert (siehe Bild). „Der eigentlich gut gemeinte Schutz kann den Unfall erst auslösen“, warnt Pfleger. Dem widerspricht Michael Praschl von Bikers Project, die den Unterfahrschutz vor allem in Niederösterreich mitinitiiert hat: „Dort, wo es das gibt, gab es keinen einzigen tödlichen Unfall in NÖ.“

Laut Pflegers Untersuchungen ist auch der Trend, dass ältere Menschen immer häufiger als Späteinsteiger zu Zweiradfans werden, eine der Ursachen für die schlechte Bilanz. Tatsächlich sind laut Innenministerium 35 der heurigen Toten über 46 Jahre alt, zehn sogar über 60. Die Ursache dafür ist vor allem die falsche Blicktechnik. Durch die nicht geneigte Kopfhaltung (siehe Bild oben) ist die Sehebene um bis zu 18 Grad falsch. Verkehrssituationen werden dadurch falsch eingeschätzt. „Es sind auch die Winkeländerungen nicht mehr zuordenbar. Man weiß damit nicht mehr, ob die richtige Geschwindigkeit gewählt wurde“, erklärt Pfleger. Empfehlenswert sind deshalb Motorradkurse bei den Automobilclubs, wo genau das trainiert wird.