Chronik/Österreich

Kandidatensuche bei Wiener Grünen: Grünschnabel gegen Routinier

Wenn Politiker in einem laufenden Rennen um die Spitzenkandidatur eine persönliche Erklärung abgeben, verlautbaren sie dabei üblicherweise, dass sie für diesen Posten antreten.

Nicht so bei den Grünen: „Ich kandidiere nicht als Spitzenkandidatin für die Wiener Grünen“, teilte Bundesrätin Ewa Dziedzic am Freitag via Facebook mit. Damit steht die Landesorganisation vor einem Zweierduell – mit ungewissem Ausgang.

Alle Inhalte anzeigen

Die neue Spitzenwahl, bei der auch Nicht-Mitglieder mitstimmen dürfen, schaffe eine Konkurrenzsituation und Gräben, sagt Dziedzic zum KURIER. „Ich habe beschlossen, diese nicht als Dritte zu vertiefen.“ Hinter vorgehaltener Hand heißt es dagegen, dass Dziedzic eingesehen habe, wohl keine Chance zu haben. Stattdessen konzentriere sie sich auf die Bundesebene, wo sie eine wichtige Rolle anstrebe – zumindest als Nummer zwei hinter Bundessprecher Werner Kogler.

Dziedzic bestätigt das zwar nicht, räumt aber ein, bei der Wahl des Bundesvorstands im November jedenfalls anzutreten.

Alle Inhalte anzeigen

Sie überlässt das Feld zwei Männern: Dem jungen Gemeinderat Peter Kraus (31) und dem langjährigen Klubchef David Ellensohn (55). Dass Maria Vassilakou noch einmal in den Ring steigt, gilt als unwahrscheinlich. Der Mangel an weiblichen Kandidaten stört dem Vernehmen nach allen voran die Frauenorganisation.

Aus anderen Ecken heißt es dagegen: Eine Frau zu sein, sei nicht das einzige Kriterium – die beste Person solle den Job machen. Und wer das ist, wird sich entlang der Grenzen zwischen Realo-Fundi, Jugend-Erfahrung und digital-analog entscheiden.

Kraus steht für Öffnung

Kraus, Sprecher der Grünen Andersrum Wien, kann auf Unterstützung aus der lesbisch-schwulen Community zählen. Denkbar ist, dass Vassilakou im pragmatischen Flügel ihr Gewicht für ihren ehemaligen stellvertretenden Büroleiter in die Schale wirft. Der mögliche Dank: Sie könnte bis zur Wahl (laut Plan 2020, Anm.) Stadträtin bleiben.

Nach außen ist Kraus ein Signal der Erneuerung: Er ist jung, hip und unverbraucht. Etwas getrübt ist seine Strahlkraft nach innen: „Er wird den Weg Vassilakous weiterführen“, sagt ein Insider. Daran wird sich vor allem jene Gruppe stoßen, die seit der Heumarkt-Abstimmung allergisch auf alles reagiert, was mit der bisherigen Front-Frau zu tun hat.

Seine Jugendlichkeit ist gleichzeitig Kraus’ größtes Manko. Denn ob der Grünling die angestrebte Aufgabe stemmen kann, ist fraglich. Allerdings zeigte Kraus mit seinem perfekt inszenierten Kampagnenstart samt Online-Video, dass man ihn wohl nicht unterschätzen sollte – und dass er in der Lage ist, zu mobilisieren und die Partei zu öffnen.

Rathaus-Kenner Ellensohn

Ellensohn, der dem linken Lager zugerechnet wird, hat vor allem ein großes Kapital: Seine Erfahrung im Rathaus. „Er weiß, wie ein Klub funktioniert, wie man mit anderen Fraktionen und Stadträten verhandelt“, sagt ein Kenner. Deswegen repräsentiert er allerdings nicht gerade frischen Wind.

Die von vielen gewünschte stärkere Abnabelung von der SPÖ wird grün-intern eher Ellensohn zugetraut. Er sei auch im Magistrat bestens vernetzt und ein blendender Rhetoriker, loben ihn Parteifreunde. Das Partei-Establishment stehe eher hinter Ellensohn, im Rathaus-Klub habe er eine Mehrheit.

Die Entscheidung fällen die Funktionäre aber nicht alleine, sondern mit den Mitgliedern und externen Wählern. Letztere bleiben der unberechenbarste Faktor im Spiel.