24-Stunden-Ausgangssperre für den Osten Österreichs
Bis halb drei Uhr in der Früh haben am Mittwoch die Landeshauptleute von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gerungen, um Maßnahmen für die Ostregion zu finden, in der die Corona-Infektionszahlen zuletzt massiv angestiegen waren. Mittwochvormittag war zunächst lediglich klar, dass man sich geeinigt hat. Im Laufe des Tages sickerten aber immer mehr Details durch. Diese sind wie folgt:
- von 1. April bis 6. April soll eine 24-Stunden-Ausgangssperre gelten
- voraussichtlich wird in dieser Zeit der Handel geschlossen haben (ausgenommen Supermärkte und Apotheken)
- die Schulen gehen nach den Osterferien bis einschließlich 9. April ins Distance Learning
- das Arbeiten im Home Office soll forciert werden
- nach Möglichkeit sollen Betriebe ihre Mitarbeiter ein Mal pro Woche testen
- bei Einpendlern soll die Test-Gültigkeit verkürzt werden
- Ausdehnung der FFP2-Maskenpflicht auf alle Innenräume
Wie die Maßnahmen im Detail aussehen sollen, wurde am Abend verkündet (siehe unten).
Lockdown über Ostern
Laut KURIER-Informationen ist die Sitzung sehr kontroversiell verlaufen und drohte am frühen Abend sogar zu scheitern: Auf der einen Seite standen Anschober und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), die neben der Ausweitung der FFP2-Masken-Tragepflicht und des Home Office eine zweiwöchige Schließung des Handels (ausgenommen Supermärkte und Apotheken) sowie körpernaher Dienstleister (z.B. Friseure) in der gesamten Ostregion rund um die Osterzeit forderten.
Auf der anderen Seite die nö. Landeschefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und die Vertreter des Bundeskanzleramts, die gegen solche Maßnahmen waren. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll dem Vernehmen nach eine Position dazwischen eingenommen haben. Gesichert ist: Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Bürochef am Gespräch im Gesundheitsministerium teilgenommen hat, wurde im Laufe der Nacht zu den Verhandlungen telefonisch zugezogen und war zudem bei der nächtlichen Telefonkonferenz dabei, bei der die Einigung paktiert wurde.
Ausgangssperre
Zwischen 1. und 6. April soll eine 24-Stunden-Ausgangssperre gelten, wie es sie zu Zeiten des harten Lockdowns bereits gab. Das heißt: Nur im Rahmen bestimmter Ausnahmen (z.B. Einkaufen), ist es dann möglich, seine Wohnung zu verlassen.
Dies wird voraussichtlich auch zu einer Schließung des Handels in dem Zeitraum führen. Zuvor war lediglich die Rede von einer "Osterruhe" in Wien, Niederösterreich und Burgendland, die von Gründonnerstag bis Dienstag nach Ostern hätte gelten soll.
Distance Learning
Die Osterferien für die Schulen werden nicht verlängert, in der Woche nach Ostern gibt es aber Distance Learning (bis 9. April). Im Laufe des Mittwochs war man noch von einer Verlängerung der Osterferien ausgegangen.
Soweit rechtlich möglich, soll das Arbeiten im Home Office forciert werden. Geplant sind zudem regelmäßige Testungen in den Betrieben, nach Möglichkeit ein Mal pro Woche. Deutlich verschärfen will man ferner die Einreiseregeln, konkret soll bei Einpendlern die Test-Gültigkeit stark verkürzt werden. Derzeit liegt sie bei einer Woche. Zudem ist geplant, die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske - die im Handel, in Öffis oder auch in Amtsgebäude jetzt bereits gilt - generell auf Innenräume auszudehnen.
Als Befürworter schärferer Maßnahmen behält sich Ludwig vor, solche im Alleingang für Wien umzusetzen, sollte dies erforderlich sein. Kein Thema waren aber Ausreisetests für Wien, sollte in der Stadt die 7-Tages-Inzidenz auf über 400 klettern.
Für weitere Details vertröstete man seitens der offiziellen Stellen auf den Mittwochabend. Der Grund für das lange Zuwarten: Die am Mittwoch angesetzte Sitzung des Nationalrats, bei der Anschober anwesend sein musste.
Ludwig: "Osterruhe"
Rückblende: Anschober verlangte vor Beginn des Gesprächs am Dienstagabend ein "Paket, das wirklich hilft, den drohenden Kollaps der Spitäler zu verhindern". Wie berichtet, sind die Intensivstationen in der Ostregion bereits nahezu ausgelastet. Ludwig sprach von einer "Osterruhe" ohne Näheres zu sagen. Im Laufe des Abends erklärte der Wiener Regierungschef aber sowohl Mikl-Leitner als auch Doskozil, dass man im Falle einer Eskalation der Lage keine Patienten aus den benachbarten Bundesländern übernehmen könne - die Lage in den Wiener Intensivstationen sei mehr als angespannt.
Handel "fassungslos"
„Fassungslos“ zeigt sich Handelsverbands-Obmann Rainer Will über die sich abzeichnende Schließung von Geschäften in Ostösterreich zu Ostern. Müssten sie von Gründonnerstag bis Dienstag nach Ostern schließen, würde das 0,5 Mrd. Euro Umsatz kosten, rechnete er vor.
Betroffen wären 5.000 Unternehmen in Ostösterreich, so Will. Gerade der von der Pandemie hart getroffene Bekleidungs- und Schuhhandel habe sich eben erst mit Frühjahrsware eingedeckt und hoffe auf ein starkes Ostergeschäft. Die Schließungen würden nicht nur die Arbeitsplätze gefährden, sondern auch das psychische Leid in der Bevölkerung erhöhen, ohne die Corona-Zahlen zu drücken, meint Will.
Weitere Gespräche am Mittwoch
Eindringlicher als bisher hätten die zu den Verhandlungen beigezogenen Experten die Dramatik der aktuellen Pandemie-Lage in Ostösterreich geschildert, war im Anschluss zu vernehmen. Und zwar konkret, was die angespannte Lage auf Wiens Intensivstation betrifft, die nicht nur für die Bundeshauptstadt, sondern für die gesamte Ostregion und darüber hinaus versorgungsrelevant sind.
Für Erstaunen unter den Teilnehmern habe aber die große Bandbreite bei den Einschätzungen der einzelnen Experten gesorgt. Während die einen für harte, längere Lockdown-Maßnahmen plädierten, traten anderen sogar für kontrollierte Öffnungsschritte ein. Allen voran bei den Schanigärten. Das Argument dabei: Gastronomie unter freiem Himmel mit strengen Sicherheitsauflagen sei immer noch besser als unkontrollierte Treffen im privaten Bereich, die trotz Verbote stattfinden würden.
"Die Ernsthaftigkeit der Lage wurde von allen erkannt", hieß es jedenfalls aus Verhandlerkreisen. "Jetzt gilt es noch ein paar Wochen durchzuhalten und die Zahlen zu senken. Sobald die durchimpfungsrate größer ist ist es für alle entspannter."
Mittwochfrüh war aus dem Büro des Wiener Bürgermeisters zu erfahren, dass es im Lauf des Tages noch weitere Gespräche auf verschiedenen Ebenen geben werde. Auch deshalb sei die Einigung auch noch nicht sofort verkündet worden. Man habe "absolutes Stillschweigen" vereinbart.
Kritik von der Opposition
Der Wiener FPÖ-Chef, Dominik Nepp, kritisierte das Vorgehen und die geplanten Maßnahmen in einer Aussendung scharf. Er forderte von Bürgermeister Ludwig eine Erklärung bei der heute, Mittwoch, stattfindenden Sitzung des Wiener Gemeinderates über "den kommenden Lockdown" in Wien. Nepp bezeichnete die Pläne der Landeschefs als fatal für die Wirtschaft und das soziale Gefüge in der Stadt. Gegen die geplanten Verschärfungen des Lockdown in der Ostregion spricht sich auch FPÖ-Chef Norbert Hofer aus. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich der Lockdown als Instrument längst abgenutzt hat und nicht die erhoffte Entspannung bei den Infektionszahlen bringt“, so Hofer in einer Aussendung. Eine „Osterruhe“ könne es nur geben, wenn die Regierung zurücktrete.
Anmerkung: Der Artikel wurde nach der Pressekonferenz am Mittwoch um 19.30 Uhr aktualisiert.