Cannabis, Kokain, Waffen – die albanische Mafia
Von Stefan Schocher
Der Krieg begann im Juni 2014. Lazarat, ein Dorf nahe der Grenze zu Griechenland, hatte zehn Jahre offiziell keinen Polizisten gesehen. Als dann 900 Polizisten in Panzerfahrzeugen das Dorf umstellten und fünf Tage belagerten kam zu Schusswechseln mit Maschinengewehren und Panzerfäusten. Lazarat war ein Zentrum des Cannabis-Anbaus – in industriellem Ausmaß: 300 Hektar Anbaufläche, Labore zur Verarbeitung der auf 1000 Tonnen pro Jahr geschätzten Ernte. Das macht 4,5 Milliarden Euro Marktwert – und das entsprach damals fast der Hälfte des albanischen BIP.
Das „Kolumbien Europas“ wird Albanien zuweilen genannt. Das Klima, der Boden, die Topographie machen das Land ideal für den Cannabis-Anbau. Und die engen Familienbande gepaart mit einem strammen Ehrenkodex schaffen die Grundvoraussetzungen für kriminelle Strukturen.
Strukturen, die von Strafverfolgungsbehörden in Europa, Großbritannien, Australien oder Nordamerika als extrem gut organisiert, bestens vernetzt, äußerst gewalttätig und ausgesprochen schwer zu infiltrieren beschrieben werden. Mit dem Resultat: Albanische Mafiasyndikate sind heute überall in Europa, Nordamerika, Südamerika, China und Australien aktiv. Und ihr Geschäftsfeld ist nicht nur der Handel mit Cannabis. Sie sind bestens vernetzt mit südamerikanischen Kokain-Kartellen, mischen weltweit in der Prostitution, dem illegalen Glücksspiel, dem Waffenhandel, der Produktpiraterie oder dem Menschenschmuggel mit
So wird einer weit verzweigten albanischen Gruppe etwa ein faktisches Monopol auf den australischen Drogenmarkt zugeschrieben. Aber auch wenn es um den Schmuggel von Kokain nach Europa geht, sind die Albaner mittlerweile führend.
Engste Bande werden den albanischen Familien dabei zu allen italienischen Mafiagruppen zugeschrieben. Denn denen, so berichten italienische Insider, seien Ganoven-Clans der alten Schule letztlich lieber als osteuropäische Slim-fit-Gangster, für die familiäre Bande nichts zählten.
Zugleich zielen die albanischen Gruppen darauf ab, sich bestens mit der Politik sowie den Strafermittlungsbehörden zu vernetzen – in allen Aktivitätsgebieten quer über den Erdball. In Albanien schien das bis zum Juli 2017 ein Leichtes. Mit Amtsantritt von Premier Edi Rama, der das Land in die EU führen will, aber scheint sich allerdings etwas verändert zu haben. Die Mordrate sank um mehr als die Hälfte, das Innenressort wurde aufgerüstet, Polizeikommandanten wurden ausgetauscht. Im Kampf gegen den Cannabis-Anbau hilft heute zudem die italienische Finanzpolizei, die mit Flugzeugen versucht, Plantagen aufzuspüren. Selbst die Opposition bemerkte mehrmals, dass Albaniens organisierte Kriminalität in Panik sei.