Chronik/Oberösterreich

Teufel errichtete den Falkenstein

Weithin sichtbar liegt Allerheiligen auf einem der zahlreichen Hügel des Unteren Mühlviertels. Die Wallfahrtskirche des Ortes ist an diesem kühlen Herbsttag ein besonderer Blickfang. Sie hat auch eine legendenhafte Geschichte.

Der Heimatkundler Roland Huber weiß, was sich um das Jahr 1490 ereignet haben soll. Genau zu der Zeit, in der Kolumbus Amerika entdeckte, ging es einem Bauern in der Gegend des heutigen Allerheiligen sehr schlecht. „Er war an der Pest erkrankt und hatte nur mehr einen letzten Wunsch. Seine Verwandten sollten seinen Leichnam auf einen Karren legen, Rinder vorspannen und sie frei ziehen lassen. An der Stelle, an der die Rinder aus freien Stücken stehen bleiben würden, sollten sie ihn begraben und zu Ehren der Königin „aller Heiligen“ eine Hütte zum Gebet errichten.“

Bitten um Genesung

So geschah es auch. Zu der aus einer riesigen Föhre erbauten kleinen Kapelle pilgerten bald viele Menschen, vor allem Kranke, die sich Genesung erhofften und dabei so viel Geld spendeten, dass schon im Jahre 1492 mit dem Bau der heutigen Kirche begonnen werden konnte.

Gut möglich, dass die Zugtiere am Gipfel des Hügels die Kraft verlassen hat. Wir genießen jedenfalls die besondere Aussichtslage dieses Ortes und steigen vom Kirchenraum auf den Kirchturm, „Schneckenturm“ genannt. Die 62 Granitstufen winden sich freischwebend nach oben – ohne tragende Spindel in der Mitte. Zum Glück sind sie bei der Errichtung fest in der Außenmauer verankert worden. So hat man als Besucher bei der Besteigung das Gefühl, in die Höhe zu schweben. Wir genießen von oben die phänomenale Aussicht vom Ötscher bis zu den Bergen Salzburgs.

Aist und Naarn

Da die Kirche exakt an der Wasserscheide zwischen zwei Flüssen liegt, fließt der Regen an der Nordseite des Kirchendaches zur Aist und an der Südseite zur Naarn ab. Vergangenen Donnerstag, am 1. November, feierte die Pfarre das Patroziniumsfest mit einem Kirtag und Volksfest. Pfarrer Konrad Hörmanseder: „Nicht weniger als Alle Heiligen sind die Schutzpatrone der Gemeinde.“

Nach so viel Kultur verspricht der dreistündige Falkenstein-Rundweg genau den richtigen Ausgleich. In der reich gegliederten Kulturlandschaft wechseln sanfte Geländeformen mit auffälligen Granitformationen. Die üppige Natur hat im Herbst auf dem Wanderweg einen Teppich aus Eicheln abwechselnd mit Bucheckern und buntem Laub gelegt. Der Weg windet sich hinunter in eines der schönsten Flusstäler des Mühlviertels. Wild donnert das muntere Gewässer der Naarn zwischen gewaltigen Granitfelsen hindurch. Wenig später plätschert es wieder ganz gemächlich und fast lautlos dahin. Ein mächtiger Stein hat sich mit knallgelben Flechten geschmückt. Immer wieder tauchen riesige aufgeschichtete Felsblöcke auf, sogenannte Wollsackverwitterungen. Die Steine sehen wie aufeinandergeschichtete Matratzen oder eben Wollsäcke aus.

Falkenstein

Schließlich erreichen wir das außergewöhnliche Felsgebilde des Falkensteins. Markante Granitblöcke sind so übereinandergeschichtet, dass sie einen 100 Meter hohen Turm bilden. Die überhängenden Gesteinsschichten erinnern an das Gesicht eines Falken und überwölben zum Teil die vorbeiführende Straße. Die Sage berichtet, dass dieser Stein einst vom Teufel errichtet wurde. Dessen Plan war es, die Enge des Naarntals beim Falkenstein auszunützen, das Tal abzusperren und mit Steinen zu vermauern, um dann die christlichen Bewohner von Allerheiligen zu ersäufen. Den mächtigen Falkenstein hatte der Satan bereits aufgetürmt. Da wurde der Teufel in seinem Vorhaben gestört. Ein Kreuz auf dem Berggipfel hatte ihm die Weiterarbeit verleidet. So blieb der Falkenstein als Teufelswerk stehen. Beim weiteren Weg aus dem Naarntal aufsteigend wieder zum Ausgangspunkt begegnet uns immer wieder der stolze Beutegreifer in der Luft schwebend.

Josef Leitner ist Universitätslektor und besucht mit seinem Reisemobil interessante Plätze der Natur und der Kultur.