Suizid im Alter: Männer viel häufiger betroffen
„Mein Vater will nicht mehr leben.“ Diese und ähnliche Aussagen hören Mitarbeitende bei Beratungsstellen und der Telefonseelsorge regelmäßig.
Oft sind es nicht die Betroffenen selbst, die sich melden: Zu groß sind Scham, Angst und Skepsis. Meist sind es Familienmitglieder, die Hilfe im Umgang mit ihren Vätern und Müttern suchen.
Die Zahlen sind prägnant: Das Suizidrisiko steigt im Alter erheblich an und ist bei über 85-Jährigen fünfmal so hoch wie in der Durchschnittsbevölkerung. Bei Männern erreicht die Steigerung sogar das Achtfache: „Das liegt daran, dass Männer sich schwer tun, Hilfe anzunehmen und über Probleme zu reden.
Vor allem bei diesen Jahrgängen seien traditionelle Rollen und das Bild des „starken Mannes“ noch sehr verankert, sagt Thomas Kapitany, Psychiater und Psychotherapeut.
Angst vor Schmerzen
Die Gründe, warum im Alter die Zahl der Suizide steigen, sind vielfältig: Oft ist es ein Gefühl der Isolation und Einsamkeit, der Verlust der Bedeutung im sozialen Gefüge, das Einbüßen der Autonomie sowie die Angst vor Schmerzen und Leid, sowohl emotional als auch körperlich.
Die Maßnahmen der Suizidprävention greifen: Bis auf einen Ausreißer im Jahr 2021, den Fachleute auf die Pandemie zurückführen, ist die Zahl der Suizide ständig am Sinken.
Assistierter Suizid
Neu ist die Möglichkeit des assistierten Suizids, der seit 2022 in Österreich im Sterbeverfügungsgesetz geregelt ist. 2023 gab es bereits 98 assistierte Suizide, Kapitany rechnet mit einer weiteren Zunahme, warnt aber gleichzeitig vor Gefahren: „Beim Begutachtungsprozess muss nachgeschärft werden. Es darf einfach nicht sein, dass etwa Depressionen die Entscheidung beeinflussen.“
Prinzipiell fordert der Experte ein Umdenken der Gesellschaft, wenn es um Altern, Tod und Sterben geht: „Menschen dürfen keine Sorge haben, anderen zur Last zu fallen.“
Jene Fälle, bei denen sich Paare gemeinsam suizidieren oder der Mann zuerst die Frau und dann sich selbst tötet, könne man nur schwer vorab herausfiltern: „Ich habe schon mit vielen suizidalen Menschen gesprochen. So etwas wird nicht vorab angekündigt“, sagt Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge OÖ.
Menschen, die Suizidgedanken haben, wollen meist nicht sterben, sondern nicht so weiterleben wie bisher, erklärt Barbara Lanzerstorfer-Holzner, ebenfalls von der Telefonseelsorge OÖ.
Was hilft? „So banal es klingt: Reden, zuhören, die Sorgen ernstnehmen, Beziehungen pflegen.“
Telefonseelsorge: erreichbar unter 142, rund um die Uhr, vertraulich, kostenlos.