Menschenhändler-Bande schickte Obdachlose in Steyr betteln
Eine Familienbande von Menschenhändlern hat Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen sowie Obdachlose in Österreich und Deutschland betteln geschickt. Dabei soll die Bande besonders gewalttätig vorgegangen sein und extrem verwundbare Menschen für ihre Zwecke missbraucht haben. Zwei ihrer Opfer kamen im Zuge der Ausbeutung ums Leben.
Bei einer von den europäischen Strafverfolgungsbehörden Europol und Eurojust koordinierten Aktion wurden am Mittwoch vier Verdächtige festgenommen, einer davon in Österreich. Die anderen drei Festnahmen wurden in Deutschland, Ungarn und in Rumänien vollzogen. Dazu gab es sieben Hausdurchsuchungen - je eine in Österreich und Ungarn, zwei in Deutschland und drei in Rumänien.
Die Ermittlungen wurden in Österreich vom oberösterreichischen Landeskriminalamt und vom Bundeskriminalamt, in Deutschland von der bayerischen Polizei, in Ungarn von der Nationalpolizei und von der Polizei in Rumänien geführt.
Tätergruppe in Steyr-Land angesiedelt
Seit Oktober 2021 ermittelte das Landeskriminalamt Oberösterreich gegen eine rumänisch-ungarische Tätergruppe, die sich im Gebiet Steyr-Land angesiedelt hat. Laut Polizei hielt sich die Tätergruppierung zuerst im Raum Ingolstadt und Nürnberg auf. Ein Teil davon agierte im Raum Covasna (Rumänien), woher die Hauptbeschuldigten stammen.
Ende März dieses Jahres wurde zwischen den Ländern Rumänien, Ungarn, Deutschland und Österreich vereinbart, dass unter der Federführung der Staatsanwaltschaft Ingolstadt am 6. April ein gemeinsamer, zeitgleicher Zugriff stattfinden sollte.
Die oberösterreichische Polizei nahm am vergangenen Mittwoch einen 22-jährigen Rumänen in Steyr fest. Bei der Durchsuchung seiner Wohnräumlichkeiten und der von ihm benutzten Fahrzeuge konnte die Polizei "tatrelevante Gegenstände" sowie Bargeld sicherstellen. Nach der Festnahme wurde der junge Mann in die Justizanstalt Garsten eingeliefert.
Ziel waren Obdachlose mit Behinderungen
Bevorzugte Ziele der Bande, offenbar eine Familie, waren Obdachlose mit geistigen oder körperlichen Behinderungen. Die Ermittler in den Ländern waren der Bande seit 2017 auf der Spur. Sie fanden ihre Opfer in Rumänien und Ungarn und schmuggelten sie nach Österreich und Deutschland, wo sie sie zum Betteln zwangen.
Dabei nutzten sie laut Europol oft die Obdachlosigkeit ihrer Opfer in Verbindung mit einer Alkoholabhängigkeit aus. Unter falschen Job-Versprechungen wurden sie in die Abhängigkeit gelockt und nach Österreich und Deutschland verfrachtet. Sie wurden in Unterkünften ohne sanitäre Einrichtungen und Fließwasser untergebracht, mussten alle Dokumente und Geldreserven abgeben. Als Verpflegung erhielten sie nur Alkohol und wenige Nahrungsmittel, beispielsweise ein Sandwich pro Tag. In Österreich wurden sie nach Feldkirch, Linz, Bad Hall und Steyr gebracht, in Deutschland waren es Berlin, Nürnberg und Ingolstadt.
Insgesamt handelte es sich um elf Opfer, die den Tätern laut Europol rund 200.000 Euro einbrachten. Ein Opfer musste den Haushalt führen und wurde laut Europol wie ein Haussklave behandelt.
Bei den Zugriffen wurden zahlreiche Mobiltelefone und andere elektronische Geräte sichergestellt. Dazu kamen 90.000 Euro und 9.400 rumänische Lei (1.901,56 Euro) in bar sowie etwa ein Kilo Goldschmuck.