Max Reinhardt: Der Magier des Theaters
Von Georg Markus
Dichter bleiben lebendig, solange man ihre Stücke spielt. Regisseure hingegen werden heute gefeiert und sind morgen vergessen. Nur einer von ihnen ist weit über seinen Tod hinaus allgegenwärtig: Max Reinhardt, der das Theater revolutionierte, einige der bedeutendsten Schauspieler des 20. Jahrhunderts entdeckte und der vor 100 Jahren die Salzburger Festspiele gründete.
Beginn als Banklehrling
Der Weg vom Banklehrling zum Magier des Theaters war atemberaubend. Schon als Bub verbrachte er jeden Abend am Stehplatz des Burgtheaters. weil er Schauspieler werden wollte. „Ich atmete mit den Schauspielern, ich weinte, lachte, hasste, tötete, starb mit ihnen“, sagte er. „Dort sangen an meiner Wiege die berühmtesten Schauspieler jener Zeit die klassischen Sprecharien.“
Die er, als er dann selbst Theatermacher wurde, über Bord warf. Er war der Erfinder des Regietheaters, in der Zeit vor Reinhardt spielte die Inszenierung oft eine Nebenrolle, die Schauspieler stellten Vorstellungen selbst irgendwie zusammen. „Sie kommen von rechts und Sie kommen von links“, sagten die meisten Regisseure vor Reinhardt, viel mehr Anweisungen gab es für Schauspieler nicht.
Wessely bis Rühmann
Hier nur einige Künstler, denen Reinhardt dazu verhalf, das zu werden, was sie geworden sind: Paula Wessely, die Geschwister Hörbiger und Thimig, Vilma Degischer, Marlene Dietrich, Willi Forst, Hans Moser, Theo Lingen, Heinz Rühmann… Was nicht heißen soll, dass der große Talententdecker unfehlbar war. Als er 1934 mit einem Kapellmeister die Bühnenmusik zu Faust einstudierte, meinte Reinhardt: „Aus dem wird nie was.“ Der Name des jungen Mannes war Herbert von Karajan.
Reinhardt war zum ersten Mal mit 17 Jahren im Matzleinsdorfer Eleventheater in der Rolle eines 90-Jährigen aufgetreten. Über das Volkstheater Rudolfsheim und einem kurzen Zwischenspiel in Salzburg wurde er nach Berlin geholt, wo ihm der Durchbruch gelang.
Die erste eigene Bühne
Reinhardt spielte vorerst Kabarett und eröffnete 1901 seine erste eigene Bühne. Nach und nach wurden die Theater, die ihn holten, immer größer. Er trat kaum noch auf, inszenierte lieber, bis er mit der Regie des Sommernachtstraums den Sprung ins renommierte Deutsche Theater schaffte. Das er bald leitete und nach sensationellen Erfolgen sogar kaufte. Ein Theater musste damals nicht subventioniert werden, ein Theater war ein gewaltiges Geschäft.
Wenn man es wie Reinhardt zu führen verstand. Bald besaß er sechs Berliner Bühnen, doch auch das genügte dem Theaterbesessenen nicht. Er ging nach Salzburg, wo er am 22. August 1920 mit seiner Inszenierung des Jedermanns die Festspiele gründete. Sie sind heute, 100 Jahre später, das größte Musik- und Theaterfestival der Welt.
Theater in der Josefstadt
Vier Jahre nach den Festspielen erweiterte er sein Bühnenimperium um das völlig heruntergekommene Wiener Theater in der Josefstadt. An Reinhardts Bühnen wurden Klassiker, Dramen, Konversations- und Gesellschaftsstücke, Komödien, Kammerspiele und Operetten aufgeführt. In seinen Inszenierungen entfernte er sich immer mehr vom konventionellen Theater und sah sich als Vermittler zwischen Traum und Wirklichkeit.
Wien und Salzburg
Als Hitler 1933 in Berlin an die Macht kam, kehrte Reinhardt ganz in seine Heimat zurück, konzentrierte sich auf Wien und Salzburg. In der Mozartstadt hatte er das prachtvolle Schloss Leopoldskron gekauft, in dem er pompöse Premierenfeiern gab, die nicht minder aufwendig inszeniert waren als seine Theateraufführungen. Der Schauspieler Max Pallenberg fragte auf so einem Fest den Schriftsteller Egon Friedell: „Findest du es notwendig, dass Reinhardt ein Schloss mit Kerzenbeleuchtung, ja sogar einen Teich mit 20 weißen und schwarzen Schwänen hat?“
„Ich hab den Reinhardt schon gekannt“, erwiderte Friedell, als er noch völlig mittellos war und nichts hatte als ein möbliertes Zimmer, einen Tisch, einen wackeligen Sessel – und höchstens zwei oder drei Schwäne.“
In aller Welt berühmt
Abgesehen von den Schwänen stimmt die Geschichte: Reinhardt hatte sich die ersten Jahre buchstäblich von einer Bühne zur anderen hungern müssen, jetzt aber war er wohlhabend und kannte nur den Applaus. Dank der Tourneen durch Europa und Amerika wurde er weltberühmt.
Ein Jahr vor Österreichs „Anschluss“ an Hitler-Deutschland übersiedelte Reinhardt mit seiner zweiten Frau Helene Thimig von Wien in die USA. Doch dort musste der Erfolgsgewöhnte Niederlagen einstecken. Zwar war Reinhardt auch in Amerika schon zu Lebzeiten eine Legende, doch gelang es ihm in der Emigration nicht, Fuß zu fassen. Nachdem verschiedene Film- und Theaterprojekte scheiterten, musste er seinen Lebensabend in äußerst bescheidenen Verhältnissen in New York zubringen.
Dort wurde während eines Ferngesprächs in einer Telefonhütte sein geliebter Hund Scotty von zwei Straßenhunden angefallen. Der 70-jährige Reinhardt regte sich dermaßen darüber auf, dass er einen Schlaganfall erlitt, in den letzten Wochen seines Lebens nicht mehr sprechen konnte und den Folgen der Erkrankung erlag.
Interessante Erfahrung
„Ihn am Werke zu sehen, gehörte zu den interessantesten Erfahrungen meines Lebens“, sagte Thomas Mann in seinem Nachruf auf Max Reinhardt. „Da begriff ich die leidenschaftlich dankbare Liebesergebenheit, die ihm die Schauspieler entgegenbrachten. Denn wie muss man den lieben, der einen zu dem macht, was man ist.“
Max Reinhardt wurde am 9. September 1873 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Baden bei Wien geboren. Max Goldmann, wie er eigentlich hieß, wuchs in Wien auf und absolvierte eine Banklehre, ehe er ohne jede Ausbildung Schauspieler und Regisseur wurde.
Festspiele
1920 gründete er mit Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal die Salzburger Festspiele. Er leitete die wichtigsten Berliner Bühnen und das Theater in der Josefstadt in Wien, wo er 1929 auch das Reinhardtseminar gründete.
Zwei Ehen
Er war mit der Schauspielerin Else Heims verheiratet (2 Söhne) und in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Helene Thimig.
Exil und Tod
1937 emigrierte er nach Amerika. Er verstarb am 30. Oktober 1943 in New York.