Chronik/Burgenland

Kein Schilfschneider-Gewerbe mehr

Das Schilf wird es so lange geben, so lange sich die Erde dreht, lautet ein altes Sprichwort im Nordburgenland. Was sich aber ändern könnte, dass es unter Umständen keine Schneider mehr geben wird, die sich um diese röhrichtbildende Pflanzenart aus der Gattung Phragmites kümmern. Gab es um die Jahrtausendwende noch zwölf gewerbliche Schilfschneider, so sind sie heute von der Bildfläche verschwunden. Eine Handvoll Landwirte bzw. professionelle Schilfschneider gibt es zwar noch, aber als Gewerbe angemeldet hat die Tätigkeit keiner mehr.

Gute Geschäfte

Nicht, dass das Geschäft unrentabel wäre, so der Podersdorfer Erwin Sumalowitsch: „Die Nachfrage ist größer als das Angebot.“ Aber die technischen Mittel lassen zu wünschen übrig. Seit Jahrzehnten ist man bemüht, ein Gerät zu entwickeln, mit dem man wetterunabhängig Schilf schneiden könnte. „Das ist uns bis heute nicht gelungen“, bedauert Sumalowitsch. Und deshalb wird, so wie vor Jahrzehnten, mit der so genannten Seekuh gearbeitet, einem veralteten Amphibiengerät. Die Technik habe sich zwar weiterentwickelt, „aber wirklich weitergebracht hat sie uns nicht“, meint Sumalowitsch. Der 56-jährige Podersdorfer gibt aber die Hoffnung nicht auf. Erst im vergangenen Sommer war er in England, um mit einer namhaften Firma über die Möglichkeiten von Hovercraft zu verhandeln. Schaut nicht schlecht aus, sagt er, „aber wir sprechen hier schon von mindestens einer Million Euro, die man investieren müsste“. Und ob sich das auszahlt, sei natürlich die nächste Frage. Die so zu beantworten wäre: Es würde sich rentieren, wenn man für den Bund Schilf nicht wie bis jetzt 1,50 Euro bezahlt, sondern an die vier.

Katastrophe

Auch wenn der Doyen der Schilfschneider im Burgenland, Martin Knoll, bereits in Pension ist, weiß er noch immer, wie es um den Schilfschnitt steht. „Der ist heuer katastrophal“, sagt der Purbacher. Das Wetter respektive das Eis am Neusiedler See lässt zu wünschen übrig.

„Die Zeit wird knapp“, sagt auch Sumalowitsch. Derzeit würde „gar nichts gehen.“ Es heißt: Bitte warten.

Der Neusiedler See ist fast vollständig von einem Schilfgürtel umgeben, er bildet den Lebensraum einer einzigartigen Tierwelt der Region und ist nach dem Donaudelta das größte zusammenhängende Schilfgebiet Europas.

Von November bis Mitte März ist es behördlich erlaubt Schilf zu ernten. Sollten die Bedingungen nicht passen, ist das auch kein Malheur. „Der nächste Winter kommt bestimmt“, sagt Erwin Sumalowitsch. Das Schilf kann nämlich bis zu zwei Jahre nicht geerntet werden, es verliert deshalb nicht an Qualität.

Das Qualitätsschilf wird insbesondere für Dachdeckungen verwendet. Weitere Anwendungsbereiche sind die Herstellung von Sichtschutzmatten, die Verwendung als Dämmmaterial und Putzträger.

Das Schilf aus dem Neusiedler See hat gegenüber den Konkurrenzprodukten (z.B. aus China) den Vorteil, dass der Halm stabiler ist und einen größeren Durchmesservon 6 bis 8 mm hat. Schilf war bis Mitte des 19. Jahrhunderts am Seeufer nur stellenweise und vornehmlich im Waasen vorzufinden. Der Schilfgürtel ist ab 1909 bis 1965 stark angewachsen und bedeckt heute allein in Österreich eine Fläche von annähernd 180 .