Start-up-Investor Prokop: „Senkung der Mehrwertsteuer wäre sinnvoll“

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Clever Clover-Chef Heinrich Prokop unterstützt die Idee, Lebensmittel temporär geringer zu besteuern.

Unternehmer Heinrich Prokop ist einem breiteren Publikum aus der Start-up-Show „2 Minuten 2 Millionen“ auf Puls 4 bekannt. Der Investor spricht im Interview mit dem KURIER sowohl über Preisbildung im Handel als auch über eine höhere Besteuerung von arbeitsfreiem Einkommen sowie die schwierige Situation für Unternehmensgründer im Land.

KURIER: Sie sind bei vielen Unternehmen beratend tätig. Was würden Sie aktuell unserer Bundesregierung in wirtschaftlicher Hinsicht raten?

Heinrich Prokop: Vor allem bei der Besteuerung von Überstunden hinken wir in Österreich im internationalen Vergleich hinterher.

Was noch?

Wir spüren „hohe Preise und leere Taschen“. Ziel muss es sein, die Kaufkraft zu stärken. Eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel wäre sinnvoll – aber nur, wenn sie wirklich beim Konsumenten ankommt. Das kann man leicht überprüfen.

Wie?

Beim Wechsel vom Schilling zum Euro gab es ähnliche begleitende Maßnahmen. Und man darf nicht vergessen: Die Ursachen für höhere Lebensmittelpreise liegen oft nicht beim heimischen Handel, sondern bei internationalen Konzernen, die Österreich anders bepreisen. Daher ist die aktuelle Initiative, Lieferbeschränkungen zu untersagen, absolut richtig. Dass in Brüssel Lobbyisten für die Konzerne arbeiten, die daran kein Interesse haben, ist aber eben auch eine Realität.

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Die Senkung würde 800 Millionen Euro kosten. Woher soll das Geld kommen?

Effizienz und Einsparungen in der Verwaltung – das klingt nach „ja, eh“, aber es ist machbar. Und wenn zusätzliches Geld gebraucht wird, dann bitte nicht über einen höheren Spitzensteuersatz – Leistung soll sich ja lohnen –, sondern über die Besteuerung von arbeitsfreiem Einkommen oberhalb sehr hoher Schwellen, etwa ab fünf Millionen Euro, mit einem klar höheren Satz, durchaus auch bis zu 70 Prozent. Außerdem müssen große ausländische Digitalkonzerne endlich fair besteuert werden. Da waren wir einmal Vorreiter – umgesetzt wurde leider wenig. Und noch ein weiterer Punkt ...

Welcher?

Viele Unternehmen finden keine qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Mindestsicherung allein erklärt das nicht. Wir sollten gezielter gegen die Schattenwirtschaft vorgehen – da liegt viel Potenzial. Zum Beispiel: Der seit Jahren angedachte elektronische Bauarbeiterausweis, die Bau-ID-Card, steckt noch immer in den Kinderschuhen.

Würden Sie in der aktuellen Situation ein Unternehmen in Österreich gründen?

Einen Handwerksbetrieb – ja. Ein schnell wachsendes IT-Start-up – eher nicht. Warum? In den Niederlanden gründen Sie in 24 Stunden. In Österreich warten Sie teils einen Monat auf die Steuernummer – ohne die geht gar nichts. Und apropos Steuer: Steuerlich werden Gründer und Frühphasen-Investoren hier nicht gezielt unterstützt.

Inwiefern?

Es gibt in Österreich keine echten Lösungen für Start-ups. Gründer und Investoren werden wie jedes andere Unternehmen behandelt. In den Niederlanden zahlen Investoren mit mehr als fünf Prozent Beteiligung keine Steuer auf „Exit-Erlöse“, wenn sie ihren Anteil nach mehr als drei Jahren verkaufen. Das ist ein enormer Vorteil für Gründer, die hohes Risiko eingehen. Und: Trotz jahrelanger sozialdemokratischer Regierung gibt es dort keine Arbeitsinspektoren, die Unternehmer grundsätzlich als Gegner sehen. Die Arbeitsaufsicht ist dort anders organisiert – die Rahmenbedingungen sind insgesamt deutlich gründungsfreundlicher.

Wie ist die aktuelle Situation für Start-ups im Land?

Der Handel ist offen für neue Ideen und gibt Start-ups eine Chance. Der Konsument ist aber deutlich preissensibler geworden – das ist eine Herausforderung, weil Start-ups aufgrund kleiner Mengen höhere Preise haben. Gleichzeitig verändern sich die Loyalitäten: Klassische Markentreue nimmt ab, Menschen probieren gerne Neues. Entscheidend ist, dass man sie nach dem Erstkauf bei sich behält. In der heutigen, schnelllebigen Welt wird man sonst rasch vergessen.

Was ist mit den Investoren?

Sie sind vorsichtiger geworden, daher ist die Seed-Finanzierung schwieriger. Österreichs Förderlandschaft ist stark – und wird international beneidet –, aber sie deckt nur die Anfangsphase ab. Danach bleiben Investitionen aus Österreich meist aus.

Was zeichnet den Standort Österreich aus?

Wir leben in einem sicheren, gut versorgten Land mit hoher Lebensqualität. Wir sollten uns weniger ärgern und mehr aus diesen Stärken machen. Für mich ist klar: Wir leben in einem großartigen Land – wir müssen es nur öfter sehen. Im Rahmen meiner Tätigkeit komme ich wirklich viel herum – und stehe bei aller Kritik nicht an, immer wieder zu wiederholen: „Österreich ist großartig.“

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