Wie viel Rot-Schwarz steckt in Grün?

Zwei Männer in Anzügen unterhalten sich in einem Bürogebäude.
Auch die Rapid-Spitze baut auf die Große Koalition und versucht den Doppelpass.

Das neue Rapid-Präsidium versucht ungewohnte Aktivitäten. Zuerst wurde mit dem Ziel „Top 50 in Europa“ die Latte hoch gelegt. Dann wurde das Problem der fehlenden Rasenheizungen in der Bundesliga angegangen: TV-Gelder sollten an Infrastrukturmaßnahmen gekoppelt werden, stellte Präsident Michael Krammer im KURIER fest.

Welche Politik verfolgt Rapid? Was hat die Politik mit den Hütteldorfern vor? Und welche Antworten gibt es in der Fan-Politik? Der 53-jährige Manager Krammer und sein Vizepräsident, der 30-jährige SPÖ-Gemeinderat Christoph Peschek, im KURIER-Doppelinterview.

KURIER: Herr Krammer, wie oft werden Sie gefragt, warum nicht mehr ein SPÖ-Mann Rapid-Präsident ist, sondern ein ÖVP-naher Manager?

Michael Krammer: Nur von Journalisten. Das bewegt weder die Fans, noch die Sponsorenvertreter.

Wie groß ist denn die Bedeutung der Politik für Rapid?

Krammer: Zwangsläufig eine große, weil Rapid der Verein ist, der die meisten Menschen in Österreich anspricht. Dadurch gibt es viele Überschneidungen bei den Interessen von Politik und Rapid. Konkret bei den Themen Infrastruktur, Stadion oder Sicherheit.

Hat Ihr Amt als Vizepräsident eine Bedeutung für die SPÖ?

Christoph Peschek: Nein. Ich habe seit meiner Kindheit ein grün-weißes Herz. Was für die Politik an Rapid interessant ist, ist die Leuchtturmfunktion: Rapid fasziniert so viele von Jung bis Alt für den Sport, dass für die Politik die Aufgabe entsteht, für entsprechende Rahmenbedingungen zu sorgen. Bei Rapid wird Parteipolitik weiter keinen Platz haben und der Klub auch nicht als Bühne im kommenden Wiener Wahlkampf herhalten müssen.

Wird mit den Subventionen nur eine Pflicht erfüllt? Oder muss Rapid dankbar sein für das Geld aus öffentlicher Hand?

Krammer: Rapid muss dankbar sein, klar. Aber: Die Politiker haben als gewählte Volksvertretung die Aufgabe, abzuwägen, was für die Menschen unterstützenswert ist. Und da ist Rapid nicht nur der erwähnte Leuchtturm, sondern auch als Steuerzahler ein Wirtschaftsfaktor. Im Idealfall entsteht da eine beidseitige Wertschöpfung.

Wenn der Sport so wichtig ist, warum spielt er dann bei Koalitionsverhandlungen wie zuletzt keine Rolle?

Krammer: Sehen wir es positiv: Vielleicht, weil es bei diesem Thema Konsens gibt.

Peschek: Natürlich müssen Politiker selbstkritisch darauf achten, dass sie dem Sport den Stellenwert geben, den er braucht. Das kann in der Wirtschaftskrise schwierig sein, trotzdem ist es wichtig, dass die im Regierungsprogramm auf zweieinhalb Seiten formulierten Maßnahmen umgesetzt werden.

Warum sind die meisten Großsponsoren in der Liga politiknahe Betriebe wie die regionalen Energieanbieter?

Krammer: Gibt es für „Wien Energie“ eine bessere Symbolik als Rapid? Nein! Rapid ist die Energie von Wien. Über den Austria-Sponsor Verbund dürfen Sie mich aber nicht befragen (lacht).

In der Politik wird regelmäßig über Gehälter diskutiert. Sind Fußballer überbezahlt?

Peschek: Es sei nochmals erwähnt, dass das ganze Präsidium leidenschaftlich, aber ohne Entlohnung arbeitet. Gute Fußballer kassieren ein Vielfaches normaler Angestellter. Das ist nur okay, wenn sie täglich alles geben und die Fans zufriedenstellen. Kommt ein Verein mit dem Geldkoffer, ist es schwer, diesen Spieler noch zu halten. International liegen die Gehälter weit höher ...

Krammer: ... und der Markt bestimmt das Gehalt. Ich habe seit meinem Antritt Unglaubliches darüber gelernt, welche Einflussfaktoren es für Talente bei Gehaltsverhandlungen und möglichen Transfers gibt. Wir wollen schon in der Akademie ansetzen, damit die Jungen ihre Karriere besser und geschützt von sogenannten Beratern planen. Aber vielleicht bin ich da noch zu idealistisch.

Peschek: Wir wollen die Mentalität entwickeln, dass ein junger Rapidler auf die Frage nach seinen Zielen nicht antwortet, „das Ausland“, sondern zuerst einmal „Titel mit Rapid gewinnen“.

Ist die Fan-Politik noch komplexer als erwartet?

Krammer: Sie ist komplex, aber auch sehr stark geleitet von der veröffentlichten, oft kritischen Meinung. Ich stelle klar: Wir wollen keinen Schicki-Micki-Klub, bei dem hinter einer Glaswand am Kaffee genippt wird. Das Motto lautet: Die Fans sollen ihre Werte leben können, ohne dem Verein zu schaden.

Ein schmaler Grat ...

Krammer: Natürlich müssen wir Gewalt und Diffamierung wegbringen. Dieser Prozess wird von innen aus gestartet. So wie es im Kampf gegen Rechtsextreme nach den 80er-Jahren bei Rapid einen Selbstreinigungsprozess gab.

Peschek: Die Fans zählen neben Erfolgen und Tradition zu den Grundpfeilern bei Rapid. Es gibt Spiele, die ohne Unterstützung der Fans nicht gewonnen worden wären.

Krammer: Andererseits ist für viele der Slogan „Rapid Wien – Lebenssinn“ nicht so weit hergeholt. Da bekommen Menschen Halt und Identifikationsmöglichkeiten in ihrem oft schwierigen Leben.

Auch die Austria spielt einen gekonnten Doppelpass mit der Politik: Präsident ist mit Wolfgang Katzian ein SPÖ-Gewerkschafter, Vizepräsidentin ist mit Brigitte Jank die Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien – und der Vorsitzende des Kuratoriums ist Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Ohne diese engen Verstrickungen zur Politik hätte die Austria die Zeit nach dem Abgang von Mäzen Frank Stronach finanziell nicht lange überlebt.

„Man muss das differenziert sehen“, räumt Wolfgang Katzian ein. „Die Stadt gab uns Förderungen und Mittel für die Infrastruktur. Das Stadion, in das wir investiert haben, gehört ja ohnehin der Stadt. Da hat die Austria sicher nicht mehr profitiert als Rapid. Von der Politik gab es nie reine Sponsorgelder.“

Allerdings profitiert der Klub sehr wohl von den Netzwerken der handelnden Personen. Wer hat schon einen Bürgermeister als Vermittler und Türöffner? „Michael Häupl wird Sponsoren aber nie beauftragen, die Austria zu unterstützen. Mit seinen Kontakten sorgt er natürlich für Treffen und Gespräche“, sagt Katzian. Die Austria zählt heute 107 Partner. „Unterm Strich muss für beide Seiten die Wechselwirkung passen. Die Austria garantiert ihren Sponsoren mittlerweile einen Werbewert, der doppelt so hoch ist wie die Sponsoring-Summe.“

Politik und Fußball? Wie offenbart sich eine solche Verbindung. Erstens durch Politiker, die prominent platziert auf Ehrentribünen Gesichtsbäder nehmen, auch wenn ihnen das Geschehen auf dem Rasen so wurscht ist wie ein fades Geplänkel im Parlament. Zweitens durch Vereine, die wegen chronischer Geldknappheit den einst selbstbewusst hinaus gebrüllten Grundsatz verdrängen, wonach die Politik im Sport überhaupt nix zu suchen hätte. Geht natürlich nicht mehr.

In Österreich sind beide Punkte für viele Klubs Teil einer Überlebensstrategie. Für Fußball spielenden Promi-Treffs in Spanien allerdings Notwendigkeiten, um ihre Stars mit Millionen zu überschütten, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Um in Europa eine Rolle zu spielen, die den internationalen Wettbewerb verzerrt. Der Staat gewährt Steuervorteile, Kommunen drücken sonst wachsame Augen zu. Jetzt will gar der EU-Wettbewerbskommissar gegen sieben spanische Klubs einen Konter einleiten. Wenig verwunderlich. So soll Real Madrid beispielsweise in der Saison 2012/13 einen Umsatz von 500 Millionen Euro erzielt haben. Einen Gewinn von 37, bei einer Nettoverschuldung von 91 Millionen Euro. Egal, für den Waliser Gareth Bale hat man 100 Millionen locker gemacht.

Möglicherweise ist der faire Wettbewerb gefährdet. Aber schwerer wird wiegen, wenn sich um ihre Existenz raufende Menschen nicht mehr unterhalten, sondern nur noch verarscht fühlen.

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