Krammer: „Ich arbeite, als gäbe es kein Morgen“

Krammer: „Ich arbeite, als gäbe es kein Morgen“
Rapid-Präsident Michael Krammer über seine Ziele, die Fans und das neue Stadion.

Michael Krammer bittet in das Café de l’Europe an den Graben. Hier beginnt der 53-jährige Niederösterreicher mit einem Frühstück seine Arbeitstage, die sich für den Ex-„Orange“-Boss derzeit nur um die „Grünen“ drehen.

Für den KURIER nimmt sich der neue Rapid-Präsident Zeit, das erste ausführliche Interview zu geben.

KURIER: Herr Präsident, wissen Sie, was Rapid mit AS Roma, Celtic Glasgow und Besiktas Istanbul verbindet? Michael Krammer: Nein.

Dieses Promi-Trio findet sich wie Rapid nicht unter den Top 50 der UEFA-Klubrangliste, wo Sie aber bis 2019 hinwollen ...

… dafür ist Salzburg schon auf Rang 56. Das gibt Hoffnung: Wenn man so wie Rapid regelmäßig in die Europa League kommt und dann wie Salzburg dort auch ordentlich punktet, sind die Top 50 zu schaffen. Dass es nicht leicht wird, weiß ich.

Wegen der Bauordnung und dem Platzmangel kann das neue Stadion in Hütteldorf nur 24.000 Sitzplätze haben. Ist das nicht zu wenig für Ihre Ziele?

Was ist die Tradition in Hütteldorf wert? Für mich mehr als ein größeres Stadion irgendwo auf einer Wiese. Das Schlimmste wäre ein zu großes Stadion, das gegen Wr. Neustadt, Grödig oder die Admira halb leer ist. 24.000 Sitzplätze sind für Rapid eine gute Dimensionierung.

Was muss Trainer Barisic für eine Vertragsverlängerung tun?

Ich werde mich bald damit auseinandersetzen. Verraten kann ich, dass ich einen sehr positiven Eindruck von ihm habe. Es gibt Trainer, die jammern, dass das Glas halb leer ist. Und dann gibt es welche wie ihn, die sich damit motivieren, dass überhaupt etwas drinnen ist. Solche Typen bekommen auch die Chance, das Glas vollzumachen.

Das wird Barisic freuen. Er hat übrigens schon im Sommer erzählt, dass Sie im Kuratorium die tiefgründigsten Fragen stellen. Wie gut kennen Sie sich im modernen Fußball aus?

Ich beschäftige mich intensiv damit, würde aber nie behaupten, dass ich ein Experte bin. Dafür gibt es einen Sportdirektor. Ich kann beurteilen, wie Führungskräfte mit Menschen umgehen und Gruppendynamik erzeugen. Da sind Barisic und sein Team wirklich gut unterwegs.

Warum haben Sie bewusst auf große Fußballer-Namen im Präsidium verzichtet?

Ich habe darüber nachgedacht, aber das Präsidium ist eben nicht die sportliche Führung des Vereins. Wir sorgen wie in der Wirtschaft für den finanziellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Rahmen, in dem die Verantwortlichen mit einer klaren Aufgabenstellung unabhängig agieren.

Hans Krankl war erbost über die Vorgänge bei Rapid und hat Ihr Vorgehen als ’tief’ bezeichnet. Werden Sie dennoch das Gespräch mit ihm suchen?

Ja. Er war mein Idol in der Jugend und soll in der Rapid-Familie wieder eine gebührende Position einnehmen. Aber er ist so emotional, dass ich bis Weihnachten besser noch Ruhe einkehren lasse. Im neuen Jahr gehe ich dann auf ihn zu.

Sie haben im Wahlkomitee mitbekommen, dass Kandidat Kirisits fast alle Schlüsselpositionen ausgetauscht hätte, ähnlich zu einer feindlichen Übernahme. Waren Sie überrascht?

Ich urteile nicht, was besser ist. Aber ich mache es anders, weil es bei einem gewachsenen Verein wie Rapid eine Basis braucht, auf der man aufsetzt, um dann die Erneuerung starten zu kann.

Jemand, der Sie sehr gut kennt, bezeichnet Sie als den besten Strategen Österreichs ...

Das ist ein unglaubliches Kompliment!

... Wie kann Ihnen dann diese schlechte Optik passieren, als Wahlmann selbst zum Präsidenten zu werden?

Weil man nicht alles im Leben strategisch planen kann. Mein Antreten war eine zutiefst emotionale Entscheidung, als der Karren mit Kirisits komplett verfahren war.

Ein anderer Vertrauter meint über Sie, Ziele würden Sie wie ein Panzer verfolgen. Wie werden Sie mit den im Fußball allgegenwärtigen Kompromissen umgehen?

Ja, ich verfolge Ziele konsequent. Dabei habe ich aber immer das Ziel in den Augen – nicht den Weg. Da kann es durch Kompromisse also auch Umwege geben.

Können Sie mit Ihrem ÖVP-nahen Netzwerk neue Sponsor-Schichten ansprechen?

Es ist eine Illusion, dass heute noch Sponsordeals abgeschlossen werden wegen persönlicher Kontakte. Aber ich kann vielleicht Türen öffnen. Bevor ein Geschäft daraus wird, müssen wir aber schon unsere Hausaufgaben gemacht haben.

Es gibt das Gerücht, Sie könnten einmal Verteidigungsminister werden. Schließen Sie eine Politikerkarriere aus?

Ja, ganz eindeutig.

Eine Frage, die Sie begleiten wird, ist der Umgang mit der aktiven Fanszene.

Ich werde alles tun, um Gewalt, Drohungen oder Ausschreitungen zu verhindern. Wenn es doch passiert, werden wir das entschlossen abstellen. Da gibt es eine klare Abgrenzung. Aber mir wird beim Thema Fans zu oft auf etwas vergessen.

Und zwar?

Die Rapid-Fans sorgen dafür, dass der Fußball ein besonderes Erlebnis wird. Für drei Minuten Choreografie wird eine Woche gearbeitet. 90 Prozent der investierten Energie sind positiv – diese will ich nicht missen.

Sie waren in einem Job nie länger als sieben Jahre. Absicht?

Nein. Ich habe meine Karriere nie geplant, war immer auf aktuelle Herausforderungen fokussiert. Ich arbeite, als gäbe es kein Morgen.

Könnten Sie ein Langzeitpräsident wie Edlinger werden?

Ich habe für das erste Konzept 2019 als unser Zieldatum ausgegeben, weil es so lange dauert, dass sich das Stadion, das wir in den kommenden Jahren bauen wollen, voll auswirkt. Generell brauche ich laut einem Präsidiumsmitglied Kraft, Ausdauer und Glück. Zwei davon bring’ ich mit. Glück könnten wir schon gegen Salzburg benötigen.

Sie öffnen Rapid für Ideen von außen. Wie sind die Reaktionen?

Unglaublich! Leider konnte ich die rund 200 Mails seit Montag, bei denen sogar fertige Konzepte von einzelnen Fans dabei sind, noch nicht komplett abarbeiten. Das Engagement ist ein Hammer, es brauchte scheinbar nur eine Initialzündung. Außerdem haben wir die tollen Konzepte der Mitglieder-Initiativen. Wenn ich dafür Berater engagiere, kostet das viele Tausende Euro.

Offizier, Manager, Präsident

Der am 17. August 1960 in Wien geborene Michael Krammer lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in Niederösterreich. Der Ex-Offizier war beim ÖAMTC tätig, als er 1998 von einem Headhunter für die Mobilfunkbranche entdeckt wurde. Nach den Stationen max.mobil, tele.ring und E-Plus war er CEO bei „Orange“ (früher One) und Rapid seit 2008 als Sponsor verbunden. Am 18. November folgte die Wahl zum Rapid-Präsidenten.

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