Vintagerie: Möbel als Sprachrohr der Persönlichkeit
Wie einen Schatz hält Peter Lindenberg die Stehlampe „Micheline“ des Wiener Traditionsunternehmens Kalmar in Händen. Sie wurde in den 60er-Jahren produziert, der Schirm gerade erst neu in Pink bezogen. „Die Entwürfe von Julius Theodor Kalmar waren damals auf der Höhe der Zeit und die Qualität ist außergewöhnlich im Vergleich zu italienischen Produkten von damals, die verkabelt waren wie Kindereisenbahnen“, sagt Lindenberg. Man habe sich damals einmal im Leben eine Kalmar gekauft – als einzigartiges Designobjekt. Heute verschickt er die Lampen bis nach New York, in teils prominente Haushalte.
Gemeinsam mit Alexander Bechstein betreibt Lindenberg bereits seit gut acht Jahren unweit der Mariahilfer Straße Vintagemöbel aus der Zeit von 1930 bis 1970. In dem zweistöckigen Laden herrscht ziemliche Fluktuation, einige der ausgestellten Gegenstände sind bereits verkauft und werden demnächst ausgeliefert. So sind die beiden Wiener in ganz Europa stets auf der Suche nach neuen Vintage-Raritäten. Besonders gerne in Frankreich, wo es eigene Flohmärkte für Händler gibt und die Erbschaftssteuer so hoch ist, dass die Erben die Verlassenschaften möglichst schnell verkaufen möchten.
Nicht zu Tode renoviert
Haben die beiden Unternehmer ein passendes Stück gefunden, restaurieren Tapezierer und Tischler dieses sorgfältig und achten darauf, dass der Charakter des Möbels erhalten bleibt. „Die Möbel haben Patina, aber sind in einem guten Zustand. So haben die Leute mehr Freude damit, als wenn es beinahe umfällt“, sagt Alexander Bechstein. Trotzdem sei es wichtig, keine Möbel zu Tode zu restaurieren, wirft Peter Lindenberg ein und zeigt einen alten Holztisch aus einer aufgelassenen Bäckerei, der nur fein abgeschliffen wurde, um so auch weiterhin seine Geschichte zur Schau zu tragen.
Preisschilder sind an keinem der vielen Designerstücken angebracht, die Shopbetreiber wollen das simple Preisabnicken durch Kommunikation ersetzen. „Deshalb gibt es bei uns auch ein Glas Sekt zum Stöbern, wir wollen die Straßengeschwindigkeit aus den Beinen nehmen“, sagt Lindenberg. Er verkauft alte Möbel schon in dritter Generation, hat sich aber von den Jugendstil- und Biedermeier-Möbeln, die seine Eltern vertrieben haben, klar abgegrenzt. Auch der Vater von Alexander Bechstein war ein „ziemlich verrückter Sammler“, von dem er die Faszination von Flohmärkten mitbekommen habe.
Pure Freude
„Auch wenn wir Händler sind, haben wir Freude daran, Dinge zu besitzen“, sagt Bechstein und präsentiert eine Klappzahlenuhr der italienischen Firma Solari Udine. Dieses sei das allergrößte Modell von Architekt Gino Valle und weltweit das letzte Käufliche. Besondere Freude bereiten den beiden aber auch die Kunden, die ihnen Fotos von den erworbenen Möbelstücken in deren neuen Habitat schicken. „Das ist unsere Chain of Happiness“, sagt Lindenberg und erzählt auch von den neuen Plänen. Um noch mehr Kunden glücklich machen zu können, eröffnen sie im April einen Concept Store im 7. Bezirk mit neu produzierten Kleinmöbeln und Geschenkartikeln. „Da können wir nicht nur einen zufriedenstellen, sondern einfach nachschlichten“, sagt Bechstein vorfreudig.
Vintagerie
Nelkengasse 4, 1060 Wien
www.vintagerie.at
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