Wissen/Gesundheit

Warum Covid-19 auch für Junge schlimmer als die Grippe ist

"Corona nicht so schlimm??? Heute Nacht wieder Corona-Patienten auf Intensivstation betreut – junge Menschen ohne klassische Risikofaktoren, die ohne der großartigen Betreuung durch meine Kolleginnen und Kollegen nicht mehr leben würden. Schlimmer als jede Grippe-Saison." Das schrieb der Virologe Christoph Steininger vom Wiener AKH/MedUni Wien am Donnerstag in den Sozialen Medien. 

"Es wird derzeit völlig übersehen, dass wir nach wie vor auch viele jüngere Patienten – momentan etwa einen um die 35 Jahre – auf den Intensivstationen versorgen. Viele davon sind ohne Grunderkrankungen", berichtet Steininger. Zwar sei es sehr positiv, dass sich im Rückgang der Spitalsaufnahmen möglicherweise auch schon ein kleiner Effekt der Impfungen älterer Menschen zeige. "Aber danach wird der rasche Schutz der Jüngeren genauso wichtig sein."

In Israel gibt es bereits mehr Spitalsaufnahmen bei den unter 60-Jährigen als den Älteren, und auch im derzeit stark von Covid-19 betroffenen Tschechien sind viele Intensivpatienten jüngere Menschen.

"Eine Luxusdiskussion"

Die derzeitige Debatte um Impfreaktionen sei deshalb "eine Luxusdiskussion", sagt Steininger: "Ich nehme gerne für einige Tage Impfreaktionen wie Fieber oder Muskelschmerzen in Kauf, wenn ich danach zumindest vor schweren Krankheitsverläufen geschützt bin – und das bin ich bei den bei uns dominierenden Virusvarianten mit allen Impfstoffen." Und wie gut letztlich der Schutz gegen schwere Verläufe mit der südafrikanischen Variante sei, könne für alle Impfstoffe derzeit nicht abschließend beurteilt werden.

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Man dürfe deshalb nicht zwischen besseren und schlechteren Vakzinen unterscheiden: "Der einzige gute Impfstoff ist der, der im Arm steckt."

Wenn die Lunge versagt

"Unsere jüngste Covid-19-Patientin war 21 Jahre alt", sagt Thomas Staudinger, Leiter der Intensivstation 13i2 der Wiener Uni-Klinik für Innere Medizin I am AKH Wien. "Immer wieder sehen wir Patienten zwischen 30 und 60 Jahren mit sehr schweren Verläufen."

Bei ganz schweren Fällen kann die Lunge nicht einmal mithilfe einer Beatmungsmaschine ausreichend Sauerstoff aufnehmen. Dann kommt eine "externe Lunge" zum Einsatz: Aus einer Vene wird Blut entnommen, in einer speziellen Herz-Lungen-Maschine (ECMO – extrakorporale Membranoxygenierung) mit Sauerstoff angereichert und in das Blutgefäßsystem zurückgeleitet. "Alleine auf unserer Intensivstation hatten wir bisher 22 solcher Patienten, im gesamten AKH mehr als 50", sagt Staudinger. "Das ist rund zehn Mal mehr als in einem Influenza-Jahr."

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Diese Therapie ist nur in Zentren möglich – "ein Transport aus einem regionalen Spital dorthin war aber bisher wegen des schlechten Zustandes solcher Patienten meist nicht durchführbar." Im Wiener AKH arbeitet ein Team der Intensivstation 13i2 seit einigen Jahren an Standards, wie man solche Patienten bereits während des Transports über eine ECMO-Maschine mit Sauerstoff versorgen kann. "Drei Mal waren wir bereits kurz vor der Ausfahrt, haben dann aber wegen des zu hohen Risikos den Prozess doch gestoppt."

Erstmals grünes Licht

Doch Dienstag war es so weit: Das Krankenhaus Bad Aussee hatte im AKH angefragt, ob man eine 60-jährige Patientin übernehmen könne, die trotz Sauerstoffversorgung über einen Beatmungsschlauch in kritischem Zustand und nicht transportfähig war – was herkömmliche Transporte betraf. "Wir haben uns selbst erstmals für einen Straßentransport grünes Licht gegeben", erzählt Projektleiter OA Alexander Hermann von der Intensivstation 13i2. "Vom Wiener AKH aus ist ein Team mit einem Spezialfahrzeug für Organtransporte der Johanniter gestartet. Darin war die externe Lunge so aufgerüstet, dass sie nach Ankunft in Bad Aussee sofort eingesetzt werden konnte."

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Zeitgleich fuhr ein Team des Arbeitersamariterbundes St. Georgen bei St. Pölten mit seiner "rollenden Intensivstation" (Bettenintensivtransporter) nach Bad Aussee. "In diesem erfolgte dann der vierstündige Transport der Patientin an der künstlichen Lunge mit zwei Sanitätern, einem Pfleger und mir nach Wien", erzählt Hermann. Im Konvoi mit dem zweiten Fahrzeug, in dem ein weiterer Intensivmediziner mitfuhr. "Bei einer Komplikation wären wir am Pannenstreifen stehen geblieben und hätten gemeinsam die Patientin versorgt." Derzeit ist ihr Zustand dank ECMO stabil – und die Hoffnung ist groß, dass sich ihre eigene Lunge erholen kann.

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