Aus für Ski-Superstar Hirscher: Was passiert, wenn das Kreuzband reißt
Vorderes Kreuzband gerissen, äußerer Kapselapparat lädiert: So lautet die Diagnose der Ärzte an der Grazer Privatklinik Ragnitz zu Marcel Hirschers linkem Kniegelenk. Die Verletzung soll sich der 35-jährige Salzburger am Montag beim Training auf der Reiteralm zugezogen haben.
Begleitverletzungen, wie etwa jene des Kapselapparats, kämen häufig vor, weiß Knie-Spezialist Christian Albrecht, der die Sportorthopädie im Speisinger Krankenhaus in Wien leitet. "Ein Indikator für eine besonders schwerwiegende Verletzung ist das per se nicht."
Kreuzbandriss als eine der häufigsten Verletzungen des Kniegelenks
Grundsätzlich zählt der Kreuzbandriss zu den häufigsten Verletzungen im Kniegelenk. Oft passieren Kreuzbandrisse beim Sport, klassischerweise beim Skifahren oder Fußball. "Meist ist es eine Kombination aus einer Drehbewegung des Kniegelenks und einer plötzlichen Veränderung der Bewegungsrichtung oder einem abrupten Abbremsen, das zum Riss des vorderen Kreuzbandes führt", erklärt Albrecht den Verletzungsmechanismus. Auch das hintere Kreuzband könne reißen, "aber das ist viel seltener der Fall".
Neben einem vollständigen Riss kann es zu harmloseren Zerrungen oder einem Teilriss kommen. (Ein)Risse können überall am Kreuzband auftreten: "Nahe am Bandansatz, wo das Kreuzband am Knochen befestigt ist, oder auch in der Mitte", präzisiert der Experte.
Behandlung mit oder ohne OP
Bei der medizinischen Versorgung haben behandelnde Ärztinnen und Ärzte die Wahl zwischen einer konservativen und einer operativen Therapie – eine Behandlung mit oder ohne OP also. Für welche Form der Therapie man sich entscheidet, hängt laut Albrecht von verschiedenen Faktoren ab: "Dem Ausmaß der Instabilität, vom Alter der Patientin oder des Patienten, von seiner oder ihrer sportlichen Aktivität bzw. den Anforderungen, die nach der Heilung an das Kniegelenk gestellt werden." Auch Begleitverletzungen spielen eine Rolle. Neben dem Kapselapparat, wie es bei Hirscher offenbar der Fall ist, kann auch der Meniskus mitreißen oder ein Knorpelschaden vorhanden sein.
Direkt nach dem Kreuzbandriss kommt es zu einer Schwellung des Kniegelenks. "Hier sind als Akutmaßnahmen Kühlen und abschwellende Methoden angezeigt." Bei einer konservativen Behandlung wird auf einen operativen Eingriff verzichtet. Stattdessen wird mittels Physiotherapie, Muskelaufbautraining und sensomotorischem Training therapiert. Letzteres umfasst etwa Koordinationsübungen. Ein operativer Eingriff kann unmittelbar nach dem Unfall oder nach Abklingen der Schwellung und Wiederherstellung der Beweglichkeit erfolgen.
"Operiert wird meist vor allem bei jungen und sportlich sehr aktiven Patienten", sagt Albrecht. "Oder wenn eine anhaltende Instabilität vorliegt. Wenn also eine konservative Therapie durchgeführt wurde, der Patient aber nach wie vor das Gefühl hat, dass das Knie wegknickt, zum Beispiel."
Körpereigene Sehnenanteile als Transplantate
Bei einer Operation hat man unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, das Kreuzband zu refixieren, sprich wieder am Knochen zu befestigen, wenn es ansatznahe gerissen ist. "Wenn das nicht möglich ist, muss das Kreuzband durch eine Kreuzbandplastik ersetzt werden", beschreibt Albrecht.
Körpereigene Sehnenanteile, etwa ein Teil der Oberschenkelsehne oder der Kniescheibensehne, werden dann als Transplantat verwendet. Rissanfälligere Spendersehnen kommen in Österreich kaum zum Einsatz. "Und wenn, dann nur bei neuerlichen Rissen, damit nicht noch ein Sehnenteil aus dem eigenen Körper entnommen werden muss."
Egal ob OP oder nicht: Physiotherapie sei jedenfalls notwendig, sagt Albrecht. "Auch nach einer OP ist Physiotherapie sehr wichtig." In welcher zeitlichen Abfolge Nachsorgemaßnahmen nach dem Abheilen der Wunde getroffen werden, orientiere sich inzwischen am individuellen Heilungsprozess. "Von starren Mustern ist man abgekommen."