Wissen/Gesundheit

14 Mal mehr Fälle: Keuchhusten grassiert in ganz Österreich massiv

Anfangs macht sich Keuchhusten, eine Infektion mit dem Bakterium Bordetella pertussis, mit Schnupfen, Husten, Schwächegefühl oder einer Bindehautentzündung bemerkbar. Danach beginnt jene Phase, der die Krankheit ihren Namen verdankt: Charakteristisch sind schwere, quälende und vor allem langandauernde Hustenanfälle.

Steigende Fallzahlen in ganz Österreich machen Fachleuten Sorgen

In Wien leiden derzeit viele an diesen Symptomen. Betroffen sind Personen jeden Alters, insbesondere aber Kinder unter einem Jahr und Jugendliche.

Seit Jahresbeginn wurden laut Epidemiologischem Meldesystem (EMS) allein in Wien bereits 985 bestätigte Keuchhustenfälle (Stand 13.08.2024) gemeldet. Damit wurden im laufenden Jahr 2024 bereits jetzt mehr als 14-mal so viele Fälle wie im gesamten vergangenen Jahr registriert. 

Ein Trend, der sich im gesamten Land – und laut aktuellen Daten der EU-Seuchenschutzbehörde (ECDC) auch in ganz Europa – abzuzeichnen scheint. Laut Anfrage der Nachrichtenagentur APA bei der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) wurden hierzulande bis zum 20. August insgesamt schon knapp 10.000 Infektionen registriert. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr gab es 2.791 Ansteckungen. Spitzenreiter bei den Infektionsfällen ist derzeit Tirol, gefolgt von Oberösterreich, der Steiermark, Niederösterreich, Salzburg und Wien.

Besonders beunruhigend: Laut ECDC sind seit Jahresbeginn in Europa bereits acht Kinder unter einem Jahr an den Folgen der Husten-Erkrankung verstorben.

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Niedrige Impfquoten für "erschreckende" Entwicklungen verantwortlich

Die Ärztekammer spricht von "erschreckenden" Entwicklungen: Verantwortlich für den Anstieg der Keuchhustenfälle seien "die großen Impflücken", wie Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer, in einer aktuellen Aussendung betont. Keuchhusten sei eine ernstzunehmende Erkrankung, die vor allem für Säuglinge, aber auch für Seniorinnen und Senioren, lebensbedrohlich sein könne. Steinhart appelliert deshalb an die Politik: "Wir fordern zum wiederholten Mal, die notwendige Auffrischung der Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten endlich kostenlos anzubieten."

Es gelte zudem, das Bewusstsein für die potenziell fatalen Folgen der Infektionskrankheit zu schärfen. So wissen beispielsweise immer noch zu wenige Eltern, dass Keuchhusten bei Säuglingen sehr schwer verlaufen und bis zur Beatmungsnotwendigkeit und zum Tod führen kann.

"Eine hohe Durchimpfungsrate würde der Bevölkerung sehr viel Leid ersparen", betont Steinhart, der mit Sorge auf die bevorstehende Erkältungssaison blickt. "Das ist ein lauter Weckruf von uns Ärztinnen und Ärzten an die Politik, denn der Erkältungsherbst steht bevor und neben Corona, Influenza und RSV werden auch die steigenden Keuchhustenfälle unser Gesundheitssystem massiv belasten."

Per PCR testen: In Wien kostenlos möglich, oder nicht?

Wie viel Leid eine Keuchhusten-Erkrankung nach sich ziehen kann, weiß Naghme Kamaleyan-Schmied, erste Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Wien, aus der Arbeit in ihrer Praxis: "Die Erkrankung bringt krampfartige Hustenanfälle mit sich, die bis zum Erbrechen führen können, und wird deshalb im Volksmund auch 100-Tage-Husten genannt." Die aktuelle Situation sei "in der täglichen Arbeit spürbar".

In ihrer Floridsdorfer Ordination habe sie seit Jahresbeginn bereits sieben bestätigte Fälle registriert, "in den vergangenen 14 Jahren keinen einzigen". Kolleginnen und Kollegen würden Ähnliches berichten.

Neben der kostenlosen Auffrischungsimpfung brauche es laut Kamaleyan-Schmied auch eine rasche und kostenlose Diagnostik, um schnell mit der passenden Therapie beginnen zu können. Diese könne die Ansteckungszeit je nach Antibiotikum auf fünf bis sieben Tage verkürzen und somit die Ausbreitung des Erregers eindämmen. Auch die Stärke der Hustenattacken wird gemildert. "Dafür wären dringend kostenlose Testungen, auch auf Influenza, RSV und Corona, notwendig, da sich die Symptome sehr oft ähneln", warnt die Allgemeinmedizinerin.

In diesem Kontext interessant: Laut Ärztekammer ist die PCR-Testung auf Keuchhusten (dafür wird im Nasenrachenraum ein Abstrich genommen) derzeit eine Privatleistung, Patientinnen und Patienten müssen also selbst dafür bezahlen. Im aktuellsten Pertussis-Informationsschreiben des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien heißt es allerdings: "(…) die Kosten für die PCR werden bei Einsendung an die Abteilung für Infektionsdiagnostik und Infektionsepidemiologie der Medizinischen Universität Wien als Kassenleistung übernommen – kann bei Bedarf auch über ein niedergelassenes Labor erfolgen." 

Auf Anfrage des KURIER beim Gesundheitsdienst heißt es: "Die Abstrichabnahme erfolgt durch die niedergelassene Ärztin bzw. den niedergelassenen Arzt und wenn dieser den Abstrich an die Abteilung für Infektionsdiagnostik und Infektionsepidemiologie der MedUni Wien schickt, kann die Diagnostik als Kassenleistung abgerechnet werden." Auch medizinisch diagnostische Labore würden dies anbieten – "es müsste aber im Einzelfall erfragt werden". Bei der Ärztekammer wiederum heißt es zum KURIER, dass zwar die Kosten der Probenanalyse vergütet werden, nicht aber jene der Probenabnahme in der ärztlichen Praxis. **

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Impfstatus überprüfen und gegebenenfalls auffrischen lassen

Auch der Wiener Gesundheitsdienst empfiehlt angesichts der steigenden Infektionszahlen jedenfalls dringend, den eigenen Impfstatus zu überprüfen und sich zeitnah grundimmunisieren oder auffrischen zu lassen.

Das empfohlene Impfschema sieht bei Keuchhusten eine Erstimpfung im Säuglingsalter (im kostenlosen Kinderimpfprogramm enthalten) vor. Die erste Auffrischung sollte dann spätestens in der Volksschule, am besten schon im Alter von fünf bis sechs Jahren erfolgen. Erwachsene sollten sich alle zehn Jahre boostern lassen, Senioren ab 60 alle fünf Jahre. Werdende Mütter können ihrem Baby über die Nabelschnur Abwehrstoffe für die ersten Monate mitgeben. Deshalb wird eine Auffrischungsimpfung gegen Keuchhusten zwischen der 27. Schwangerschaftswoche und der Geburt empfohlen.

Keuchhusten ist eine meldepflichtige ErkrankungPersonen, die Gemeinschaftseinrichtungen besuchen (etwa Kinder im Kindergarten) oder im Gesundheitswesen tätig sind, sollten für fünf bis sieben Tage nach Therapiebeginn der Einrichtung fernbleiben. Sollte keine Therapie erfolgt sein, ist ein Fernbleiben für 21 Tage empfohlen. 

** Der Artikel wurde am 21. August 2024 um 13:30 um die Stellungnahme des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien ergänzt.