Wissen/Gesundheit

Impfung gegen Krebs: "Es gibt erste ermutigende Studiendaten"

Anfang der 70er-Jahre in Innsbruck: Der Jungmediziner Christoph Huber absolviert seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin. Sein besonderes Interesse gilt dem Immunsystem und neuen Ansätzen gegen Krebs. „Damals war es gängige Lehrmeinung, dass Krebs von der Körperabwehr nicht bemerkt wird und das Immunsystem ihn nicht bekämpfen kann.“

Doch Huber war davon nicht überzeugt: „Bei Virusinfektionen, oder wenn ein Transplantat vom Körper abgestoßen wird, kommt es zu einer starken Vermehrung von Lymphozyten, Abwehrzellen. Dasselbe erkannte ich auch bei Tumoren – deshalb waren wir der Ansicht, dass das Immunsystem eine Rolle spielen muss.“

Huber spezialisiert sich auf den Gebieten Immunologie, Tumor-Abwehr und Stammzelltransplantation, u. a. am Karolinska-Institut in Stockholm oder dem Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle, USA. Ab 1984 Professor in Innsbruck, wechselt er 1990 nach Mainz und gründet dort einen außerordentlich erfolgreichen Sonderforschungsbereich „Tumorabwehr“ und ein erstes Zentrum für Krebsimmuntherapie. „Ich konnte dafür die international besten Köpfe wie Ugur Sahin und Özlem Türeci gewinnen.“

Ziele erkannt

Mit Erfolg: „Nach und nach charakterisierten wir Strukturen an der Oberfläche der Krebszellen, die von Abwehrzellen erkannt werden – verschiedene Eiweiße – und beschrieben ihren molekularen Bauplan. Damit hatten wir erstmals klare Ziele, gegen die therapeutische Impfstoffe das Immunsystem aktivieren können.“

Doch lange gelingt es nicht, ausreichend starke Reaktionen des Abwehrsystems zu erzielen, um Tumore nachhaltig zurückdrängen zu können. „Alle damals bekannten Impfstoff-Formate lieferten keine guten Ergebnisse.“

Vor mehr als 20 Jahren begann die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der mRNA-Technologie, sagt Huber, vor mehr als zehn Jahren starteten auch die ersten klinischen Studien: „Der Körper erhält bei einer mRNA-Impfung die Information für den Bau verschiedener Oberflächeneiweiße von Krebszellen. Die Patienten produzieren dann selbst die Zielstrukturen und aktivieren damit ihr Immunsystem – viel stärker als mit allen bisherigen Impfstoffkandidaten.“

Von Krebs zu Covid

Huber erkennt früh das Potenzial der beiden Wissenschafter Ugur Sahin und Özlem Türeci, holt sie an sein Zentrum in Mainz und gründet mit ihnen 2008 die Firma Biontech. „Die Erkenntnisse aus den Studien mit Krebspatienten waren die Basis für die rasche und erfolgreiche Entwicklung der mRNA-Covid-Impfstoffe.“

Das Haupteinsatzgebiet für mRNA-Impfungen als Einzeltherapie gegen Krebs könnten Erkrankungen im Frühstadium mit hoher Rückfallwahrscheinlichkeit werden. Insbesondere nach einem chirurgischen Eingriff, um minimale Krebsreste zu bekämpfen. „Dazu haben wir bereits erste ermutigende Studiendaten beim Schwarzen Hautkrebs und anderen Tumorerkrankungen erhalten“, sagt Huber.

Bei fortgeschrittenen Erkrankungen gebe es zunehmend Hinweise, dass die Kombination von mRNA-Impfungen mit anderen Therapien – etwa abwehr-verstärkenden Antikörpern (sogenannten Checkpoint-Inhibitoren) oder gentechnisch veränderten Abwehrzellen – die Wirksamkeit deutlich verstärken können. 

In den nächsten Jahren werden die ersten maßgeschneiderten mRNA-Impfstoffe gegen Krebs zugelassen werden, sagt Huber. „Bisherige Ergebnisse lassen die Hoffnung zu, dass durch mRNA-Impfungen mehr Menschen von Krebs geheilt werden können bzw. dieser zu einer chronischen Krankheit wird.“

Neue Funktionen

Mit seinem 80. Geburtstag am 14. Februar scheidet Huber aus dem Aufsichtsrat von Biontech aus. Einen „Ruhestand“ wird es aber nicht geben – vielmehr einen neuen Aufbruch: Huber wird externer Direktor des Start-ups „Momentous Therapeutics“ in Cambridge, gegründet vom österreichischen Cambridge-Gastroenterologen Arthur Kaser: „Es geht um Grundlagenforschung, wie man den Energiestoffwechsel von Krebs- und Abwehrzellen zur Behandlung beeinflussen könnte.“

Alle Inhalte anzeigen

An der Champalimaud-Stiftung in Lissabon wurde er Chefberater für die Errichtung und den Einsatz einer nicht kommerziell ausgerichteten Anlage zur Produktion gentechnisch veränderter Abwehrzellen zur Krebsbekämpfung. Bei Leukämie funktioniert diese Strategie bereits, aber noch nicht bei "soliden" Tumoren. 

Und an der MedUni Wien wird er sich als Universitätsrat schwerpunktmäßig um den Forschungstransfer kümmern. Hier hat er jahrzehntelange Erfahrungen, belegt durch erfolgreiche Firmenausgründungen: „Ich will die Uni unterstützten, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in konkrete Therapien, die den Menschen zugutekommen, umzusetzen.“