Bei vier von zehn Österreichern ist der Blutdruck zu hoch
Es war Mittwoch, am letzten Tag des Europäischen Kardiologenkongresses, als Studiendaten aus Kopenhagen präsentiert wurden, die Andrea Podczeck-Schweighofer besonders beeindruckt haben: Menschen mit der Diagnose Bluthochdruck, die regelmäßig körperlich aktiv sind, konnten ihre Werte nicht nur besser senken als Bewegungsmuffel. Auch ihr Risiko, im Studienzeitraum zu versterben, war geringer.
„Aber leider fehlt das Bewusstsein für die Risiken eines hohen Blutdrucks nach wie vor in weiten Teilen der Bevölkerung“, beklagt die Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). Blutdruck war eines der zentralen Themen der mit 31.000 Teilnehmern aus 150 Ländern weltweit größten, wissenschaftlichen Veranstaltung im Bereich der Herz-Kreislauf-Medizin.
Neue Behandlungsleitlinien
Während die US-Fachgesellschaften den Grenzwert für Bluthochdruck auf 130/80 mmHg gesenkt haben, bleibt in Europa der Grenzwert für gesunde Menschen ohne Vorerkrankungen bzw. ohne erhöhtes Risiko für eine Herzkreislauferkrankung bei 140/90 mmHg – erst über dem Wert wird medikamentös behandelt. „Aber auch wenn man in Europa diese Grenze akzeptiert, weiß man, dass Menschen mit Werten um 120/80 mmHg ein geringeres Risiko für Erkrankungen haben.“ Deshalb sind Lebensstiländerungen immer angeraten.
Bei älteren Menschen werden höhere Schwellenwerte akzeptiert – zum Teil bis zu 160 mmHg. Damit sollen „unerwünschte Nebenwirkungen durch zu intensive medikamentöse Therapie“ – etwa Schwindel, generell schlechte Verträglichkeit – vermieden werden. Und: Von Anfang an sollte Bluthochdruck mit zwei unterschiedlich wirkenden Substanzen (oft in einer Tablette kombiniert) behandelt werden.
Kein Problembewusstsein
Für eine Studie wurde bei fast 11.000 Menschen in Oberösterreich – Kunden von 45 Apotheken und Besuchern von zwei Gesundheitsveranstaltungen – der Blutdruck gemessen. 38,1 Prozent hatten einen erhöhten Blutdruck (über 140/90 mmHg), berichtet Kathrin Danninger (Klinikum Wels-Grieskirchen). Von den Untersuchten mit bereits bekanntem Bluthochdruck hatte mehr als die Hälfte zu hohe Werte – viele davon nahmen jedoch keine Medikamente. : „Gerade 40- bis 50-Jährigen ist oft nicht bewusst, dass sie ohne Therapie ein hohes Risiko für Herzschwäche, Vorhofflimmern, Schlaganfall und Herzinfarkt haben.“ Auch bei den anderen Untersuchten hatte etwa jeder Dritte Bluthochdruck.
Viele Risikofaktoren bei Kindern
Wie sehr Bluthochdruck mit anderen Faktoren zusammenhängt, zeigte eine deutsche Untersuchung mit 7076 Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 18 Jahren. Von diesen hatten 361 zu hohe Blutdruckwerte. Gegenüber Gleichaltrigen mit normalem Blutdruck waren sie doppelt so häufig übergewichtig, ihr Risiko für bauchfettbetonte Adipositas (Fettleibigkeit) war um das 3,6-Fache erhöht. Und: Um das Eineinhalbfache erhöht war ihr Risiko für eine Diabetes-Vorstufe (Insulinresistenz).
Diskussion um "gutes" HDL-Cholesterin
Die Untersuchung sorgte für Aufsehen auf dem Kongress und in Medien – aber Kardiologenpräsidentin Andrea Podczeck-Schweighofer warnt vor voreiligen Schlüssen. Teilnehmer einer US-Studie mit Werten des „guten“ HDL-Cholesterins über 60 mg/dl hatten ein um fast 50 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Herz-Kreislaufkrankheit zu versterben oder einen Herzinfarkt zu bekommen im Vergleich zu Personen mit Werten zwischen 41 und 60 mg/dl. Die meisten hatten bereits eine Herzerkrankung.
„Ich habe schon Anfragen verunsicherter Patienten bekommen“, sagt Podczeck-Schweighofer. „Es muss jetzt aber niemand Angst vor zu hohem HDL-Cholesterin haben. Wir haben noch viel zu wenig Daten.“ Ausschlaggebend – auch für die Entscheidung zu einer etwaigen Therapie – sei das LDL-Cholesterin. Dieses soll bei Gesunden unter 130 mg/dl, bei Menschen mit vorangegangener Gefäßerkrankung (z.B. Infarkt) unter 70 mg/dl liegen.