Wirtschaft

Wirtschaftskammer schlägt Alarm: Industrie droht abzuwandern

In Deutschland war die Entwicklung bereits früher zu bemerken. Jetzt schrillen auch in Österreich die Alarmglocken. Laut einer vom Beratungsunternehmen Deloitte im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) durchgeführten Studie, sehen fast drei Viertel der heimischen Industriebetriebe die Gefahr. einer Deindustrialisierung Österreichs.

9 von 10 Unternehmen gehen davon aus, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts in den nächsten 3 Jahren sinken wird. Mehr als 4 von 10 Unternehmen haben bereits Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert

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"Produktionsverlagerung gelebte Realität"

Die Produktionsverlagerung sei bereits gelebte Realität. Die Entwicklung könnte sich in den nächsten Jahren beschleunigen, warnte WKO-Präsident Harald Mahrer bei der Präsentation der Studie am Dienstag in Wien. "Die Lage ist extrem besorgniserregend." Auch weil viele heimische Unternehmen an der deutschen Wirtschaft hängen. Im Nachbarland haben bereits 67 Prozent der Firmen Teile der Produktion ausgelagert, das habe auch Folgen für die heimischen Zulieferer, so der WKO-Präsident. 

Von den Abwanderungen sind vor allem kostenintensive Bereiche betroffen, so die Studie. Etwa die Bauteilfertigung, die Vormontage oder die allgemeine Produktion. Zwischen 9 und 13 Prozent der Unternehmen haben in diesen Bereichen bereits Teile verlagert, zwischen 23 und 27 Prozent wollen das in den nächsten 3 Jahren tun. "Es sind hochwertige Tätigkeiten und sehr gut bezahlte Jobs, die bedroht sind", sagte Mahrer.

Wohin wandern die Unternehmen ab?

Verlagert wurden Teile der Produktion in den vergangenen 3 Jahren mit einem Anteil von 81 Prozent vor allem in andere EU-Länder, nach Ost- aber auch nach Südeuropa. Gefolgt von Asien (29 Prozent), etwa nach China, Vietnam, Indonesien oder Malaysia, wo es attraktive Investitionsprogramme gibt. 

An Attraktivität gewinnt die USA. Nicht zuletzt wegen hoher Subventionen, etwa durch den Inflation Reductaion Act (IRA), aber auch wegen der niedrigen Energiepreise. 27 Prozent wollen in den nächsten 3 Jahren Teile der Produktion dorthin verlagern. "Die USA nutzen die europäische Schwäche, um Investitionen anzuziehen", sagte Mahrer. Aber auch Asien und andere EU-Länder bleiben für heimische Firmen mit 46 bzw. 44 Prozent attraktiv. 

Hohe Arbeitskosten Hauptgrund

Als Gründe für Investitionen in anderen Ländern werden von heimischen Unternehmen mit 78 Prozent vor allem die hohen Arbeitskosten in Österreich genannt. Aber auch die Bürokratie, die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, die hohe Abgabenquote und die hohen Energiekosten werden jeweils von mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen angegeben. 

Österreich preise sich selbst aus dem Markt, sagte Mahrer. Er forderte erneut eine Senkung der Lohnnebenkosten. Dabei gehe es um Kosten, die nichts mit den Unternehmen zu tun hätten, die ihnen aber "umgehängt" würden, etwa der Familienlastenausgleichsfonds, für den der Staat eigentlich zur Gänze aufkommen sollte, so der WKO-Präsident.

Es gehe auch darum, Beschäftigung zu fördern, etwa durch Vereinfachungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Auch müssten mehr Überstunden steuerfrei gestellt und Menschen, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten wollen, sollten nur noch die Unfallversicherung bezahlen. "Warum sollen sie doppelt krankenversichert sein?", fragte Mahrer. 

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"Investitionen rechnen sich nicht mehr"

Auch viele Betriebe, die nicht unter der schwachen Konkunktur leiden und gute Umsätze machen, würden nicht mehr in Österreich investieren, weil es sich für sie nicht mehr rechne, sagte Mahrer. 

In Deutschland, wo die Entwicklung schon weiter fortgeschritten sei, hätten die Auslandsinvestitionen bereits die Investitionen im Inland übertroffen. Aber auch hierzulande würden große, etablierte Unternehmen überlegen, auch ihre Stammwerke aus Österreich abzuziehen und nur noch die Forschung im Land zu halten.

Mahrer beklagte auch die zunehmende bürokratische Last für Unternehmen. Selbst Beratungsunternehmen würden damit kaum noch zurande kommen: "Es wurden Monster geschaffen." Die Probleme seien auch nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, sondern machen sich europaweit bemerkbar, sagte Mahrer. Durch die hohe Inflation würden zunehmend auch die Vorteile der osteuropäischen Länder schwinden. 

Die Zahlen seien keine Schwarzmalerei, so Mahrer. In Gesprächen mit Unternehmen habe sich bei der Wirtschaftskammer ein ähnliches Bild ergeben. Die Deloitte-Studie sei eine empirische Bestätigung dafür. Wer das Problem nicht wahrnehme, betreibe Realitätsverweigerung, sagte der WKO-Präsident auch im Hinblick auf die bevorstehenden EU- und Nationalratswahlen: "Es geht jetzt um alles."