Wirtschaft

Warum so viele Kleinunternehmer in die Pleite schlittern

"Sehr hohe Schulden, ein geringes Einkommen, oft Arbeitslosigkeit – in dieser Situation ist für viele gescheiterte Selbstständige der Privatkonkurs der letzte und einzige Ausweg“, erklärt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der asb, der Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen.

Die aktuelle Untersuchung habe auch danach gefragt, welche Auswirkungen die Reform des Privatkonkurses Ende 2017 hatte. "Seither ist die Entschuldung schon nach fünf Jahren und ohne Mindestquote in der Rückzahlung möglich. Bei 58 Prozent der befragten gescheiterten Selbstständigen wäre der Privatkonkurs ohne die Reform nicht möglich gewesen. Bei jenen, die länger als 15 Jahre selbstständig waren, liegt der Wert noch höher: Für 73 Prozent von ihnen ist eine Entschuldung erst durch die Reform möglich geworden", heißt es weiter.

41 Prozent fielen in die Arbeitslosigkeit

"Das zeigt die von uns erwarteten positiven Effekte der Privatkonkursreform, wenn ein großer Teil einer ohnehin stark armutsgefährdeten Gruppe endlich die Chance auf einen Neustart bekommt“, sagt Mitterlehner. "Gescheiterte Selbstständige sind eine spezielle Gruppe in der Klientel der Schuldenberatungen: Sie haben sehr hohe Schulden und die gesetzliche Lage verhindert oft eine komplette Entschuldung."

Deshalb führt die Dachorganisation der Schuldenberatungen seit zwanzig Jahren regelmäßig vergleichende Untersuchungen durch, um diese Gruppe zu beobachten. Die aktuellsten Ergebnisse aus dem Untersuchungsjahr 2018 zeigen:

  • Selbstständigkeit ist bei 29 Prozent der KlientInnen ein Überschuldungsgrund, dieser Wert ist seit 2013 deutlich gestiegen.
  • Nummer eins bei den Überschuldungsgründen bleibt Arbeitslosigkeit. Wobei Selbstständigkeit und Arbeitslosigkeit bei der untersuchten Klientel Hand in Hand gehen: Gut ein Drittel der Befragten (29 Prozent) waren vor der Unternehmensgründung arbeitslos. 41 Prozent fielen nach dem Scheitern der Selbstständigkeit in die Arbeitslosigkeit – dieser Wert ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gestiegen.

Durchschnittverschuldung hat sich verdoppelt

"Schuldenprobleme sind komplexe soziale Probleme, da braucht es ein umfassendes Maßnahmenpaket, um Betroffenen zu helfen. Wir müssen mit aller Kraft das Abrutschen in die Überschuldung und damit in die Armut verhindern“, erklärt Mitterlehner. Die Schuldenberatungen haben einen rechts- und sozialpolitischen Forderungskatalog erarbeitet, der wesentliche Maßnahmen in zwölf Bereichen erläutert. Einige davon betreffen speziell die Klientel der gescheiterten Selbstständigen.

Ehemalige Selbstständige weisen eine deutlich höhere Verschuldung auf als die gesamten Schuldenberatungsklienten: Die durchschnittliche Gesamtverschuldung der Befragten liegt bei 274.000 Euro, die Medianverschuldung bei 82.000 Euro. Die Durchschnittsverschuldung aller Klienten der Schuldenberatungen in Österreich, die im Jahr 2018 eine Erstberatung in Anspruch genommen haben, liegt mit 89.000 deutlich niedriger, die Medianverschuldung beträgt hier 36.000 Euro.

Der Vergleich mit 2013 zeigt, dass sich die Durchschnittsverschuldung der ehemaligen Selbstständigen mehr als verdoppelt hat (2013: 101.000 Euro) – dies mag unter Umständen dem IRÄG 2017 geschuldet sein, das es nun auch Personen mit sehr hohen Schulden ermöglicht, sich zu entschulden.

SVA darf direkt einen Teil der Pension von der PVA holen

Ein Beispiel: Jemand hat Schulden bei der SVA und bekommt aktuell eine Pension von der PVA. Hier darf sich die SVA direkt einen Teil der Pension von der PVA holen. Diese trägerübergreifende Aufrechnung darf auch unter das Existenzminimum gehen und auch während und nach Ende des Privatkonkurses betrieben werden. "Die Restschulbefreiung, die für alle anderen am Ende des Privatkonkurses und bei Einhaltung der Regeln selbstverständlich ist, greift hier für ehemals Selbstständige nicht", erklärt Mitterlehner. "Wir fordern, dass alle Aufrechnungen mit Eröffnung des Privatkonkurses beendet werden."

Existenzminimum zu niedrig

Eine weitere Forderung, die für alle Klienten der Schuldenberatungen von großer Wichtigkeit ist, ist jene nach Anhebung des Existenzminimums. Dieses legt fest, bis zu welchem Betrag das Einkommen einer Person gepfändet wird bzw. was im Privatkonkurs zum Leben bleibt. Aktuell liegt das Existenzminimum für eine alleinstehende Person bei 933 Euro (Grundbetrag). Die Armutsgefährdungsschwelle liegt deutlich darüber bei 1.259 Euro. Mitterlehner: "Das Existenzminimum muss zumindest an die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden, um die betroffenen Familien aus der Armut zu holen."

 

Hier können Sie die Studie downloaden: Die Studie des ASB

Erhöhung des Existenzminimums

Die Schuldnerberatungen fordern die Erhöhung des Existenzminimums: "Das Existenzminimum legt fest, bis zu welchem Betrag das Einkommen einer Person gepfändet werden kann („Lohnpfändung“). Dieser Betrag bleibt auch im Privatkonkurs zum Leben übrig. Ein menschenwürdiges Leben ist damit kaum möglich, existenziell wichtige Ausgaben wie Miete oder Unterhaltszahlungen sind oft nicht mehr leistbar. Ganze Familien werden in die Armut getrieben."

Und weiter heißt es: Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person liegt bei 933 Euro (Grundbetrag 2019). Die Armutsgefährdungsschwelle liegt deutlich darüber: 1.259 Euro. Für einen Ein-Eltern-Haushalt mit einem Kind liegt die Armutsgefährdungsschwelle bei 1.636 Euro und das Existenzminimum bei gerade einmal 1.119 Euro. 186 Euro werden davon dem Kind zugestanden.
Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Pfändungsgrenze (also das Existenzminimum) für einen Ein-Eltern-Haushalt mit einem Kind bei 1.630 Euro. Für das erste Kind werden in Deutschland 450 Euro zugestanden, mehr als das Doppelte als in Österreich."
Wenn in Lebensgemeinschaften de facto eine Unterhaltspflicht erfüllt wird, soll diese bei einer Pfändungsberechnung auch berücksichtig werden.

Pfändung von Gegenständen reformieren

"Die Pfändung von Gegenständen (die sog. „Fahrnispfändung“ durch den Gerichtsvollzieher) wird – entgegen der Intention des Gesetzgebers – häufig als Druckmittel gegen die SchuldnerInnen eingesetzt", behaupten die Schuldnerberater. "Es werden oft Gegenstände gepfändet, deren Verwertung keinen nennenswerten Erlös bringt. Wenn Schuldner bloß über geringfügiges Vermögen verfügen, sollte keine Fahrnispfändung bei laufender Lohnpfändung zulässig sein. Das schont auch die Ressourcen der Gerichte."

Und deshalb fordern die Schuldnerberater: "Die Bestimmungen zur Unpfändbarkeit von Gegenständen müssen konkretisiert werden, sodass bei der Pfändung aktuelle Lebensrealitäten berücksichtigt werden. Es muss ein Schonvermögen definiert werden: Erst wenn die pfändbaren Gegenstände einen gewissen Wert übersteigen, soll überhaupt gepfändet werden. Zudem soll nur pfändbar sein, was über dem Schonvermögen liegt. Fortbewegungsmittel wie Kraftfahrzeuge müssen bis zu einem Wert von 3.500 Euro (Indexbindung) unpfändbar sein."

Staatlich anerkannte Schuldenberatungen in Österreich:

  • Schuldenberatung Burgenland, www.burgenland.at/service/landes-ombudsstelle/schuldenberatung/
  • Schuldnerberatung Kärnten, www.schuldnerberatung-kärnten.at
  • Schuldnerberatung NÖ. www.sbnoe.at
  • SCHULDNERHILFE OÖ, www.schuldner-hilfe.at
  • Schuldnerberatung OÖ, www.ooe.schuldnerberatung.at
  • Schuldenberatung Salzburg, www.sbsbg.at
  • Schuldnerberatung Steiermark, www.sbstmk.at
  • Schuldenberatung Tirol, www.sbtirol.at
  • Institut für Sozialdienste, ifs Schuldenberatung, Vorarlberg www.ifs.at/schuldenberatung.html
  • Schuldnerberatung Wien, www.schuldnerberatung-wien.at

Dachorganisation:
ASB Schuldnerberatungen GmbH, www.schuldenberatung.at