Österreich international Nachzügler bei Gleichstellung
Von Martin Meyrath
Auch um den Effekt von Teilzeitarbeit bereinigt, liegt der Gender Pay Gap in Österreich bei 16,9 Prozent, sagte Erste-Bank-Chefin Gerda Holzinger-Burgstaller mit Hinblick auf die zuletzt von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) losgetretene Debatte. Umgerechnet heiße das "jedes sechste Jahr, das Frauen arbeiten, wird nicht bezahlt".
Das Armutsrisiko sei für Frauen demnach generell höher, insbesondere aber in der Pension. Um gegenzusteuern sei es wichtig, dass sich Frauen mit ihrer wirtschaftlichen Situation aktiv beschäftigen. In einem zweiten Schritt gehe es dann darum, selbst gegen Armut im Alter vorzusorgen, was auch bei einem niedrigen Einkommen möglich sei.
Der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit werde auch immer größer, wie Holzinger-Burgstaller mit Blick auf eine aktuelle Befragung mit mehr als 1.000 Teilnehmern im Auftrag der Erste Bank argumentiert. Während 2018 noch 63 Prozent der befragten Frauen angaben, dass Ihnen finanzielle Unabhängigkeit wichtig sei, waren es heuer 84 Prozent.
Allerdings fühlen sich Frauen bei Finanzthemen im Vergleich zu Männern deutlich schlechter informiert, wie die Befragung ergab. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "she invests" bietet die Erste Bank Finanzbildung "von Frauen für Frauen gemacht" an, nicht nur für Kundinnen.
Holzinger-Burgstaller sieht aber auch die Politik gefordert. Das betrifft nicht nur die Verbreitung von Finanzbildung, etwa in Schulen, sondern die Rahmenbedingungen von Erwerbsarbeit. Denn um die Vollzeitbeschäftigung insbesondere bei Frauen zu erhöhen, würden derzeit Möglichkeiten und Anreize fehlen. So müssten etwa die notwendigen Ressourcen für qualitative Ganztagsbetreuung von Kindern zur Verfügung gestellt werden.
Multiple Krisen
In den österreichischen Betrieben hat das Thema der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen übrigens an Bedeutung verloren, ergibt eine Befragung des Beratungsunternehmens Deloitte. Grund seien die multiplen Krisen, die das Anliegen in den Hintergrund drängen. Rund 41 Prozent von 200 befragten Managerinnen und Managern gaben an, dass die Gleichstellung ein strategisches Firmenziel sei – Frauen sind dabei deutlich skeptischer als Männer.
Nachzügler im europäischen Vergleich
In den Chefetagen der großen österreichischen Unternehmen sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Zwar gilt für Aufsichtsräte börsennotierter Firmen seit 2018 eine Quote von mindestens 30 Prozent, in den Vorständen kommt die Gleichstellung aber nicht an, wie eine Erhebung der Arbeiterkammer (AK) zeigt. Von 599 Chefsesseln in den 200 umsatzstärksten Unternehmen sitzen auf 536 Männer – das entspricht einem Anteil von rund 90 Prozent. In den Vorständen der 20 ATX-Unternehmen liegt die Frauenquote bei 8,3 Prozent. Damit liegt Österreich deutlich hinter dem EU-Schnitt von 21 Prozent und im internationalen Vergleich auf dem vorletzten Platz vor Luxemburg.