Mit Prämien, Freizeit und rascherer Integration gegen die Personalkrise
Von Anita Staudacher
Experten sind sich einig: Die Wirtschaft bremst sich ein, aber der akute Fachkräftemangel wird bleiben. Er könnte sich sogar noch verschärfen, wie Daten der Statistik Austria zeigen. Allein im dritten Quartal blieben 218.100 Arbeitsplätze unbesetzt, so viele wie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2009 nicht mehr. Gegenüber dem dritten Quartal des Vorkrisenjahres 2019 entspricht dies einer Steigerung um 70 Prozent. Die meisten offenen Stellen gab es im Dienstleistungssektor mit 130.000, gefolgt von der Industrie mit 56.000 und dem öffentlichen Dienst mit 31.000.
Auffällig: Die offenen Stellen machten im dritten Quartal bereits fünf Prozent aller Stellen (offene und besetzte) aus. Diese „Offene-Stellen-Quote“ lag damit rund 40 Prozent über dem Niveau von vor der Pandemie. „Ein deutlicher Hinweis auf den sich verschärfenden Fach- und Arbeitskräftemangel“, interpretiert Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas die Zahlenlage.
Angesichts der sich zuspitzenden Lage forcieren Politik, Unternehmen und Interessensverbände ihre Anstrengungen – auf gleich mehreren Ebenen:
Mehr Geld
Am Wochenende wurde bekannt, dass Red Bull im Oktober all seinen 2.000 Mitarbeitenden eine steuerfreie Prämie in Höhe von 3.000 Euro (Teilzeitkräfte aliquot weniger) zusätzlich zum Gehalt überwiesen hat. Die Belegschaft wurde noch vor dem Tod von Didi Mateschitz darüber informiert. Die Regierung ermöglicht bekanntlich eine steuerfreie Sonderzahlung an die Belegschaft von bis zu 3.000 Euro, um einen Ausgleich zur aktuellen Teuerung zu gewähren.
Etliche Firmen haben dies in unterschiedlicher Höhe auch schon getan. Einige von ihnen, darunter etwa Klipp Frisör, Doppler Schirme oder der Holzindustrielle Pfeifer in Tirol, haben das auch öffentlich kommuniziert. Im Handel ist eine steuerfreie Prämie Teil der aktuell laufenden Kollektivvertrags-Verhandlungen. Und in der Pflege bietet das Land Niederösterreich nun 500 Euro zusätzlich für Pflegekräfte.
Mehr Freizeit
Neben zusätzlicher Zahlungen ist auch mehr Freizeit durch kürzere oder flexiblere Arbeitszeitmodelle derzeit ein heißes Thema. Gewerkschaft und Arbeiterkammer (AK) wollen kürzere Arbeitszeiten – Stichwort 30-Stunden-Woche – gesetzlich oder in Kollektivverträgen verankern. Immer mehr Unternehmen setzen auf eine 4-Tage-Woche, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Auch Homeoffice-Möglichkeit ist ein Gebot der Stunde gegen den Fachkräftemangel.
Mehr Jobaufnahmen
Integrationsministerin Susanne Raab will Asylberechtigte rascher in den Arbeitsmarkt bringen. Aktuell sind 36.000 anerkannte Flüchtlinge beim AMS gemeldet, davon 27.000 in Wien. Darüber hinaus werden die Anwerbeaktionen im Nicht-EU-Ausland, wie aktuell in Albanien und Kosovo, verstärkt. Allein im Inland kann der Fachkräftebedarf schon lange nicht mehr gedeckt werden.