Wie die Klimawende für die Wirtschaft profitabel wird
Von Martin Meyrath
Die Klimawende ist teuer, zerstört die Wirtschaft und kostet Europa seinen Wohlstand?
Falsch, sagt Patrick Herhold, Senior Partner des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) in München.
Herhold ist einer der Autoren eines Reports von BCG und Weltwirtschaftsforum (WEF). Das Resultat: Die Staaten müssten die Rahmenbedingungen so gestalten, dass es wirtschaftlich ist, zu dekarbonisieren. Die Regulierungen müssten demnach nicht laxer, sondern "deutlich aktiver und konkreter" werden, sagt Herhold im Gespräch mit dem KURIER.
Es stellt sich nicht die Frage, ob wir dekarbonisieren müssen, sondern wie dieser Weg gelingen kann.
BCG
Am Geld sollte es demnach nicht liegen. Denn die Mehrkosten für eine klimaneutrale Produktion hielten sich bei vielen Gütern in Grenzen. „Bei einer kompletten Dekarbonisierung liegt der Kostenanstieg für die emissionsintensiven Endprodukte bei zwei bis vier Prozent. Bei vielen Produkten liegt er sogar unter einem Prozent."
In Relation bedeutet das auch: "In den allermeisten Produktgruppen würde der Preisanstieg unterhalb aktueller Inflationsraten liegen", sagt Herhold.
So sei zum Beispiel CO2-reduzierter Stahl zwar deutlich teurer als konventionell hergestellter, anteilig berechnet auf die Produktionskosten eines Autos fallen die Stahlkosten aber weniger ins Gewicht. Der Effekt: "Grüner Stahl" ist ein gefragtes Produkt, das mit hohen Margen verkauft wird.
Fünf Punkte für Regierungen
Herausfordernder als die Berechnung ist aber die Umsetzung. Damit sie gelingen kann, haben Herhold und seine Co-Autorin Pim Valdre vom WEF fünf Punkte identifiziert, die Regierungen prioritär behandeln sollten.
Erstens sind die Klimaziele noch nicht ehrgeizig genug, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Technische und finanzielle Hilfe aus den wohlhabenden Ländern könnten die Entwicklung im globalen Süden deutlich beschleunigen.
Eine zentrale Rolle kommt, zweitens, der CO2-Bepreisung zu, wie es sie bisher nur in jedem vierten Staat gibt. Diese müsste weiter ausgerollt und schrittweise erhöht werden. Gleichzeitig sollten auch Subventionen für fossile Energieträger gestrichen werden. Dadurch würde Kostenwahrheit hergestellt und klimaneutrale Ansätze begünstigt.
Als drittes Mittel listen die Autoren Unterstützung für neue Technologien, die großes Potenzial haben, zum Klimaschutz beizutragen, aber noch nicht kommerziell nutzbar sind, auf.
Viertens sollten Hindernisse für klimaneutrale Technologien und vielversprechende Projekte beseitigt werden. Das betrifft etwa überlange Genehmigungsverfahren für Energieinfrastruktur wie Windräder und Stromleitungen, Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft und Weiterbildungsangebote für dringend benötigte Berufsgruppen.
Sollte das alles nicht ausreichen, um Zwischenziele zu erreichen, dürften Regierungen, fünftens, nicht vor drastischeren Maßnahmen zurückschrecken. Dazu zählen Herhold und Valdre etwa Verbote für bestimmte Technologien oder in letzter Instanz Eingriffe ins Klima (Geoengineering, Anm.), um die Folgen der globalen Erwärmung abzufedern.
Vorkehrungen gegen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit
"Es geht darum, die Dekarbonisierung Schritt für Schritt anzustoßen", sagt Herhold. Die Unternehmen würden ihre Ressourcen dann aus Eigeninteresse entsprechend einsetzen und dabei große Potenziale mobilisieren.
"Die entscheidende Frage ist, ob es sich rechnet. Es gibt keinen Mangel an Investitionsmitteln, sondern einen Mangel an Wirtschaftlichkeit.“ Damit die europäischen Unternehmen durch Umweltauflagen nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, müssten Importzölle auf Produkte erhoben werden, die zu niedrigeren Standards hergestellt würden.
Bei der Verantwortung für die Lieferketten liegt der Hebel nach Auffassung von Herhold bei den großen Konzernen. Denn laut dem Report könnten die 1.000 weltweit führenden Unternehmen mehr als ein Viertel der Emissionen beeinflussen. Ihre Marktmacht sollte laut BCG und WEF genutzt werden, um Zulieferer zu Standards zu verpflichten. Ein entsprechendes EU-Lieferkettengesetz droht aktuell an der Zustimmung der deutschen FDP-Minister zu scheitern.