Japans Börse bleibt trotz Rekordinflation ein Geheimtipp
Während in Europa die Inflationsrate im Herbst auf mehr als zehn Prozent gestiegen ist, liegt sie in Japan aktuell bei nur 3,7 Prozent. Und dennoch ist dies für das Land der aufgehenden Sonne der höchste Wert seit 1981. Viele Jahre gab es rückläufige Preise (Deflation). Richard Kaye, Fondsmanager beim internationalen Vermögensverwalter Comgest, lebt seit 30 Jahren in dem Land und erklärt dies so: „Japanische Konsumenten akzeptieren keine Preiserhöhungen.“ Größere Anschaffungen wie Autos oder Immobilien würden sonst hinausgeschoben werden. Im Zuge der steigenden Rohstoffpreise ging es heuer aber nicht mehr anders und die Preise mussten angehoben werden.
Doch im Gegensatz zu anderen Staaten reagierte die Notenbank in Tokio nicht mit Zinserhöhungen. Sie hat in der Vorwoche nur höhere Zinsen für langfristige Anleihen zugelassen. Das reichte zwar, um den Leitindex Nikkei 225 unter Druck zu setzen. Doch Zinserhöhungen schließt sie weiterhin aus. Der niedrige Leitzins (minus 0,1 Prozent) wird von Börsianern als Vorteil gegenüber Europa oder den USA gesehen. „Es ist eines der spannendsten Länder zum investieren“, sagt Kaye. Akhil Dhawan, Fondsmanager bei der Schoellerbank, pflichtet ihm bei. „Der Markt hat viel Potenzial für die kommenden Jahre.“
Wachstum
Beide nennen als Grund vor allem die zahlreichen Konzerne, die in ihren Branchen führend seien. In den Bereichen digitale Transformation, Vernetzung, Medizintechnik und Nachhaltigkeit bestünden enorme Wachstumschancen, wozu viele Unternehmen hochmoderne Technologien vorweisen könnten. „Die meisten von ihnen sind zudem schuldenfrei, verfügen über hohe Barreserven und verfolgen eine aktionärsfreundliche Politik“, sagt Dhawan. Zudem profitiert das Land laut Kaye von seiner politischen Stabilität. Darüber hinaus seien viele Titel günstig, da sie nicht auf der Beobachtungsliste von Investoren stünden. Zu Kayes Investments zählen etwa Torii Pharmaceutical, Daikin (Luftfilter-Hersteller) oder der Softwareentwickler Obic.
Freilich, auch in Japan lief es heuer an der Börse nicht rund. Der Nikkei fiel 10 Prozent und nachdem der Yen zugleich um 17 Prozent nachgab, wurde es für Euro-Investoren noch unattraktiver.