Gastronomie: Kritik an Anwerbung von Kellnern aus Drittstaaten
Von Anita Staudacher
Die Ankündigung der Regierung, mehr Saisonniers ins Land zu holen und den Beruf des Kellners bzw. der Kellnerin auf die Mangelberufsliste zu setzen und damit den Zuzug von Arbeitskräften aus Drittstaaten zu erleichtern, sorgt für Unverständnis bei Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Statt die Arbeitsplätze in der Gastronomie attraktiver zu machen und damit die Arbeitsbedingungen zu verbessern, würden Billig-Arbeitskräfte ins Land geholt. Dies könnte die Lage weiter verschlechtern, betonte die Leiterin Arbeitsmarkt und Integration bei der AK Wien, Silvia Hofbauer.
Die Arbeitserleichterungen für Drittstaaten-Angehörige erfolgte auf Wunsch der Tourismus-Branche, die ihren Personalbedarf für den Sommer bei weitem nicht decken kann und Tausende offene Stellen ausgeschrieben hat. Für Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereiches Tourismus in der Gewerkschaft vida, ein hausgemachtes Problem. „Die Arbeitgeber im Tourismus in Österreich dürfen sich nicht wundern, wenn sie keine Mitarbeiter finden. Auch der Arbeitsmarkt ist ein Markt, der von Angebot und Nachfrage lebt. Sind die Arbeitgeber nicht bereit, das Angebot zu verbessern, bleibt die Nachfrage seitens Arbeitsuchender aus“, so Tusch.
Saisonarbeit kein "Migrationsmodell"
Saisonarbeit ist aus Sicht der AK "ein grundlegend falsches Migrationsmodell". Die Regelungen - auch betreffend Rot-Weiß-Rot-Karte - böten keinen ausreichenden Schutz vor Ausbeutung, Lohn- und Sozialdumping. Die Arbeiterkammer fordert, dass die gesetzlichen Regelungen zum Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz wieder verschärft werden - dieses sei im Sommer 2021 aufgeweicht worden, die Strafen wurden gesenkt. Es müsse zudem mehr kontrolliert werden, was eine personelle Aufstockung bei Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat erfordere.
Traurige Spitzenreiter
Laut Arbeiterkammer (AK) Wien nehme die Gastronomie eine traurige Spitzenposition in der Rechtsberatung ein. 2021 hätten 10 Prozent der Beratungen die Gastronomie betroffen, obwohl nur 4,3 Prozent der Mitglieder in diesem Bereich tätig seien.
Dass in der Gastrobranche händeringend nach Personal gesucht wird, hat laut AK "handfeste Gründe". Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berichteten immer wieder von Löhnen, die nicht rechtzeitig, nicht in der richtigen Höhe oder gleich gar nicht ausbezahlt würden, Schwarzzahlungen, unbezahlten Überstunden und der Nichteinhaltung der Ruhezeiten. Im ersten Halbjahr gab es bereits 1.280 persönliche Beratungen für Beschäftigteim Gastgewerbe. In den drei Monaten März bis Mai nahm sie 190 Fälle aus der Branche genauer unter die Lupe.
Keine Überstunden bezahlt, falsche Kündigungsfristen
Bei mehr als einem Drittel seien überhaupt keine Überstunden bezahlt worden, 12 Prozent hätten für Urlaub und Krankenstand gar kein Entgelt bekommen, ein Viertel habe Bar- beziehungsweise Schwarzzahlungen erhalten. Eine korrekte Lohnabrechnung habe nur ein Drittel bekommen - zwei Drittel entweder gar keine oder eine falsche.
Weiters seien Kündigungsfristen falsch berechnet worden, zu kurz gewesen oder gar nicht eingehalten worden. Ein Fünftel wurde für die geleistete Arbeitszeit den Angaben zufolge zu gering bei der Sozialversicherung angemeldet, in manchen Fällen wurde überhaupt nicht angemeldet. Auch die Arbeitszeiten sind oft unattraktiv, weil nicht planbar: Jeder oder jede Vierte hatte laut AK "regelmäßig geteilte Dienste" beziehungsweise wurde der Dienstplan vom Arbeitgeber "kurzfristig einseitig geändert". Gut ein Drittel musste regelmäßig nach 18.00 Uhr arbeiten, knapp ein Viertel regelmäßig nach 22.00 Uhr.
„Der vielbejammerte Fachkräftemangel existiert nicht. Wir haben vielmehr einen Ausbildungs- und Bezahlmangel in der Branche“, resümierte vida-Gewerkschafter Tusch. Wenn nicht ausgebildet, mit den Kolleginnen und Kollegen nicht korrekt umgegangen und auch nicht fair bezahlt werde, könne es auch keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Branche geben.
AK-Forderungen
Die AK fordert, dass die Meldung des Gehalts und der Wochenarbeitszeit bei der Anmeldung zur Sozialversicherung wieder verpflichtend sein soll, wie das bis 2019 der Fall gewesen sei. Bei Nichtausstellung eines Dienstzettels solle es Sanktionen geben. Weiters wäre der Mehrarbeitszuschlag laut Meinung der Arbeitnehmervertreter auf 50 Prozent zu erhöhen. Die Zurücknahme der täglichen Ruhezeit von 12 auf 8 Stunden, die 2018 im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz verankert worden sei, wäre "neu zu gestalten". Nicht zuletzt wünscht sich die AK die gesetzliche Möglichkeit einer "Tourismuskasse", um beispielsweise Saisonverlängerungsmodelle umzusetzen.