Fachkräftemangel und Alterung heizen Inflation an
Von Michael Bachner
Corona und die neuerlich steigenden Infektionszahlen bleiben das Hauptrisiko für die Konjunkturerholung, darin sind sich alle Wirtschaftsexperten einig. Dennoch wird die Frage schon jetzt intensiv diskutiert, wie es nach der Pandemie mit Europas und Österreichs Wirtschaft weiter geht. Beispielsweise im Bereich der digitalen Wettbewerbsfähigkeit.
Der Chefökonom von Deloitte Deutschland, Alexander Börsch, hat im Gespräch mit dem KURIER diese mittelfristige Perspektive im Fokus. Er erwartet ab dem Spätherbst, Winter und „ab einer gewissen Durchimpfungsrate das Corona-Endspiel“ und mit dem Überwinden der Pandemie eine neue Debatte über altbekannte Reformnotwendigkeiten.
Dabei sieht er in der Alterung der Bevölkerung und dem mittlerweile eklatanten Fachkräftemangel die größten Herausforderungen.
Börsch: „Wir leben jetzt in dem Jahrzehnt, wo der demografische Wandel wirklich schlagend wird. Der Fachkräftemangel war schon in den vergangenen fünf Jahren ein zentrales Thema. Jetzt verlieren wir in Deutschland in den nächsten Jahren nochmals zehn Prozent der Arbeitskräfte.“
Aus der Alterung der Gesellschaft und ihren Folgen für den Arbeitsmarkt, aber auch für das Pensions- und Gesundheitssystem, leitet Börsch einen steigenden Inflationsdruck für die nächsten Jahre ab. Gleichzeitig würden auch wegen des Fachkräftemangels die Preise steigen und zwar dann, wenn auch die Löhne mit anziehen und möglicherweise eine negative Lohn-Preisspirale in Gang kommt. Börsch schildert ein Beispiel: „In Großbritannien sind Bauarbeiter knapp. Und schon gab es eine Lohnsteigerung um sieben Prozent. Dieser Effekt kann sehr schnell eintreten.“
Positiv hebt der Experte die unerwartet starke wirtschaftliche Erholung hervor – trotz der Lieferkettenproblematik oder des momentanen Anstiegs der Energie- und Rohstoffpreise.
Keine Hyperinflation
Die Raiffeisenbank International hält diese und andere Preissteigerungen vielfach für kurzfristige Nachhol- und Einmaleffekte und erwartet „keinerlei Hyperinflation“, wie die beiden Chefanalysten Gunter Deuber und Peter Brezinschek am Freitag vor Journalisten ausführten. Die Inflationsrate sollte daher in den kommenden zwölf bis 24 Monaten tendenziell wieder leicht sinken.
Dennoch gebe es langfristige Trends, die eine steigende durchschnittliche Inflationsrate von zwei bis drei Prozent für die nächsten Jahre erwarten lassen. Dazu zähle etwa der Klimaschutz, der „etwas kosten muss, wenn eine Lenkungswirkung erzielt werden soll“.
Hohe gefühlte Inflation
Ein Riesenproblem in der Inflationsdebatte sei das Auseinanderklaffen zwischen der gefühlten und der offiziellen Teuerung. Das liege unter anderem an der Messmethode. In Österreich, so Brenzinschek, sei etwa der Bereich des Wohnens im Warenkorb mit lediglich fünf Prozent gewichtet, was er für „einen Witz“ hält. So liege die gefühlte Inflation sicherlich ein bis zwei Prozentpunkte über der offiziellen Teuerungsrate von zuletzt 2,9 Prozent.