Wirtschaft

In einer von drei Gasleitungen wird künftig Wasserstoff fließen

Der heimische Energieverbrauch wird momentan zu knapp zwei Dritteln durch fossile Brennstoffe gedeckt. Auf Erdgas alleine enfällt ein höherer Anteil als jener für Ökostrom aus Wasser-, Wind- und Solarkraft. In einer dekarbonisierten Energiezukunft soll das ganz anders aussehen. Die Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) hat am Montag geschildert, wie klimafreundliche Erdgasalternativen wie Biomethan und Wasserstoff fossile Brennstoffe ersetzen sollen und was dafür notwendig ist.

Umbau weniger aufwendig als beim Stromnetz

"Der Gasbranche werde oft eine klimaschädliche Haltung unterstellt, aber wir haben genau das gleiche Interesse daran, Emissionen zu verringern", sagt Stefan Wagenhofer, Geschäftsführer der Gas Connect Austria und Vizepräsident der ÖVGW. Der Verband stelle politischen Entscheidungsträgern stets seine technische und wirtschaftliche Expertise zur Verfügung, u.a. beim Aufbau eines Wasserstoffnetzes.

"Parallel zum Strombereich müssen wir auch den Gasbereich umrüsten. Das ist eine Mammutaufgabe", sagt Wagenhofer. Immerhin habe man den Vorteil, dass das bestehende Erdgasnetz bereits großteils tauglich für klimafreundliche Alternativen ist. 97 Prozent des bestehenden Leitungsnetzes seien wasserstofftauglich. Biomethan unterscheide sich chemisch nicht von Erdgas, daher liege die Tauglichkeit hier bei 100 Prozent.

Beimengung und Leitungen mit reinem Wasserstoff

Bis zu 10 Prozent Wasserstoff könne man auch jetzt schon zu Erdgas beimengen, sagt Manfred Pachernegg, Geschäftsfrüher der Energienetze Steiermark und Vorstand der ÖVGW. Steigen die Anteile, müssten gewisse Anpassungen an der Infrastruktur vorgenommen werden. Da die Beimengung von Wasserstoff zu Erdgas nicht immer gewünscht sein wird, werde man Parallelstrukturen erschaffen.

Große Erdgasleitungen bestünden immer aus mehreren Leitungssträngen. "Eine von drei Leitungen werden wir wasserstofftauglich machen." Damit 100 Prozent reiner Wasserstoff fließen kann, müssten u.a. Dichtungen, Messgeräte oder Kompressoren getauscht werden. Bis 2050 sollen laut Plan 1.400 Kilometer bestehender Leitungen für Wasserstoff umgewidmet werden. 300 Kilometer Leitungen müssten neu errichtet werden. "Dieses Volumen ist überblickbar, es ist keine besonders große Herausforderung", sagt Wagenhofer.

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Sektorkopplung und Speicher

Laut den Experten müsse beim Aufbau des Wasserstoffnetzes auch immer die Sektorkopplung mitbedacht werden, also die Verbindung der Infrastrukturen für Strom, Gas, Mobilität, Wärme und anderen Sektoren. Das sorge für optimale Verwertbarkeit und Energieeffizienz. Gas biete den großen Vorteil, dass man große Mengen davon über lange Zeiträume speichern kann. So könnte man etwa im Sommer aus Solarstromüberschüssen erzeugten Wasserstoff für den Verbrauch im Winter aufbewahren.

Bei guten Rahmenbedingungen zwei Mrd. Euro Kosten

Allmählich wird das Wasserstoff-Leitungsnetz aus dem bestehenden Erdgasnetz herausgelöst. Unternehmen werden noch lange Zeit mehrere Gase beziehen können. "Die Industrie kann ja einen Energieträger nicht von einem Tag auf den anderen umstellen. Das ist ein schrittweiser Prozess", sagt Pachernegg.

Für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur noch notwendig seien eine Reihe regulativer Rahmenbedingungen. Hier sei die Politik gefordert, rasch zu handeln, um die zügige Planung der Energiewende im Gasbereich zu ermöglichen und Investoren Sicherheit zu verschaffen. Wichtig sei auch, ein geeignetes Marktmodell zu entwickeln. Bei günstigen Rahmenbedingungen rechnet die ÖVGW mit Kosten von rund zwei Milliarden Euro für das ingessamt 1.700 Kilometer lange Wasserstoff-Startnetz.

Wasserstoff-Produktion in Nordafrika und Ukraine

Zur Frage, wo Wasserstoff und Biomethan in Zukunft herkommen sollen, gibt es folgende Ideen: Zu Beginn wird es eine starke Produktion im Inland benötigen, etwa durch Elektrolyse von Wasser mit Ökostromüberschüssen. Langfristig werden rund 80 Prozent nach Österreich importiert werden müssen, sagt Pachernegg. Im europäischen Gasnetz werde Wasserstoff einerseits aus den Norden, andererseits aus dem Süden kommen. Österreich sollte sich besser nach Süden orientieren, "denn die nördlichen Korridore werden Nordeuropa versorgen, vor allem Deutschland".

Für Österreich seien zwei Potenziale interessant: Nordafrika und Ukraine. In beiden Regionen herrschen gute Voraussetzungen um erneuerbare Energien auszubauen. Derzeit komme auch Erdgas aus Nordafrika nach Europa, also dieser Transportweg funktioniere. Größtes Problem ist die politische Stabilität. Die Ukraine ist immer noch mit der russischen Invasion beschäftigt, nordafrikanische Länder sind es hauptsächlich mit sich selbst.

Biomethan soll in Zukunft hauptsächlich aus heimischer Produktion stammen. Insgesamt erwarten die Experten aber, dass ein größerer Energieanteil von Wasserstoff stammen soll.