"Einhorn-Kapitalismus": Warum Rekordsummen in Start-ups fließen
Von Anita Staudacher
Es ist das Jahr der Einhörner. Täglich werden auf der Welt zwei dieser Fabelwesen geboren, insgesamt gibt es davon schon 1.600. Gemeint sind Start-ups mit einer Martkbewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Europa zählt inzwischen 250 Einhörner, Österreich hat mit Bitpanda und GoStudent schon zwei.
Hinter den Einhörnern her ist eine ganze Armada an internationalen Risikokapital-Gebern, die hoffnungsvolle Gründungen rasch wachsen sehen wollen, um dann auszusteigen und Kassa zu machen. Dieser „Einhorn-Kapitalismus“ schwappte heuer auch auf Österreich über. Im ersten Halbjahr floss laut Start-up-Investment-Barometer der Beratungsgesellschaft EY die Rekordsumme von 518 Mio. Euro an heimische Start-ups. Nach den Finanzierungsrunden bei Adverity, Storebox und zuletzt Bitpanda waren es sogar schon mehr als eine Milliarde Euro.
Auffällig: Nur an kleinen Finanzierungsrunden haben sich rot-weiß-rote Investoren beteiligt, während bei den sechs größten Deals kein einziger heimischer Geldgeber mehr involviert war. Insgesamt stammen 90 Prozent des Risikokapitals von rein international besetzten Investorengruppen
. „Bei größeren Finanzierungsrunden ab dem zweistelligen Millionenbereich ist die Abhängigkeit von Geldgebern aus Übersee groß, da es in Österreich de facto keine Wachstumsfinanzierer gibt“, kommentiert Florian Haas, Start-up-Experte bei der Beratungsstelle EY, die Entwicklung.
Investitionsdruck
Dominierend sind hier US-Investoren, aber auch asiatische Risikokapitalgeber machen sich auf Gründerjagd in Europa. „Geld einfach zu parken, ist in Zeiten des Niedrigzinses keine Option. Alle großen US-Fonds stehen unter enormen Investitionsdruck und strecken jetzt die Fühler nach Europa aus“, erläutert Haas. Hier seien die Firmenbewertungen im Vergleich zur USA noch recht günstig. Asiatische Investorenrunden hätten vor allem den Technologiesektor im Visier.
So sehr sich Bitpanda oder GoStudent über die Wachstumsfinanzierer freuen, volkswirtschaftlich gesehen gibt es auch Nachteile. Bei einem Exit fließen die Gewinne ins Ausland und können nicht in Österreich reinvestiert werden. Laut EY wäre auch in Österreich genug Kapital vorhanden, nur werde dieses aktuell eher bei Banken, Versicherungen, Stiftungen oder Pensionskassen gebunkert.
Nina Wöss, Vorstandsvorsitzende der Austrian Private Equity an Venture Capital Organisation (AVCO), fordert daher Maßnahmen zur Stärkung des vorbörslichen Kapitalmarktes, etwa durch die Schaffung eines Dachfonds und attraktiveren rechtlichen Rahmenbedingungen.