Warum Olympia für viele Chinesen ein Fenster in die Welt war
Von Silvana Strieder
Zwei Wochen lang wehte die olympische Flagge über den Sportstätten Chinas. Am Sonntag wurde sie offiziell an Mailand und Cortina-D’Ampezzo übergeben.
Ein Blick auf den Medaillenspiegel überrascht: China ist erstmals erfolgreicher als die Wintersportnation Österreich. „Das ist das beste Ergebnis aller Zeiten. Die Spiele sind für viele Chinesen ein Fenster in die Welt des Eis- und Schneesports, auch wenn wenige im Moment die Möglichkeit nutzen, die Sportarten selbst auszuprobieren“, sagt Liu Sijie.
Eigentlich ist er Fußballfan. Die Spiele verfolgt Liu Sijie übers „Handy, weil wir den 5-G-Netzwerkdienst nutzen können.“ Die Freundin schaut am liebsten Eiskunstlauf. Er verfolgt Shorttrack, Freestyle-Skiing und die Diskussionen um Eileen Gu, mit drei Medaillen Chinas neue Sportikone, die allerdings in den USA aufgewachsen und sozialisiert wurde. „Sie ist die beliebteste Sportlerin bei uns in diesem Winter. Die 18-Jährige repräsentiert die Athleten der neuen Generation auf eine Weise, die sich sehr von unseren anderen Sportlern unterscheidet.“ Sijie erzählt, dass „wir mehr über ihr Verhalten, ihre Ausbildung und den Erziehungsstil von Gus Mutter erfahren wollen.“
Wintersport indoor
Seit 2020 lebt er mit seiner Freundin im Süden des Landes, in der Millionenstadt Chengdu. Dort sinken die Temperaturen nie unter den Gefrierpunkt. „Früher waren Eissportarten ein exklusives Erlebnis für Menschen im Nordosten Chinas“, sagt der 26-Jährige. In den letzten fünf Jahren brachte die Regierung den Wintersport vor die Haustüren.
„Es gibt Indoor-Skipisten und Eisbahnen in Städten und Einkaufszentren. In der Grundschule gibt es sogar eine Eishockey-Liga.“
„Es gibt viele Vorurteile und falsche Informationen über mein Heimatland“
Sportfan aus Chengdu
Liu Sijie hat das Wintersportvirus gepackt: „Am liebsten würde ich jedes Wochenende Skifahren. Die Begeisterung der Menschen für die Spiele ist spürbar – aber nicht so verrückt wie bei den Sommerspielen 2008.“ In der Hauptstadt arbeitete Liu als Sportjournalist, bevor er ins Marketing für eine Sport-App wechselte.
Politische Fragen zu Meinungsfreiheit, Menschenrechten und Minderheiten wie den Uiguren machen ihn wütend: „Die Olympischen Spiele sollten für die ganze Welt ein fröhliches Ereignis sein. Die einseitigen Fragen sind erschütternd und weit entfernt von den Spielen und dem echten China.“ Ideologische Unterschiede sah er auf seinen Reisen: „Es gibt viele Vorurteile und falsche Informationen über mein Heimatland.“
Für Liu Sijie ist es frustrierend, dass China immer nur auf Politik reduziert wird. „Deshalb war es wichtig, der Welt nach 2008 wieder unsere Kultur näherzubringen. Ich denke, dass der olympische Geist uns alle miteinander verbindet und dazu beiträgt, dass wir uns besser kennenlernen.“