Verletzt zur Medaille: Mühlbacher jubelte trotz Missgeschick
Von Christoph Geiler
Eigentlich dürfte Julia Mühlbacher gerade gar nicht hier sein. Sie sollte stattdessen diese Nordische WM in Planica daheim von der Couch aus verfolgen, ihren Vorbildern beim Skispringen zuschauen und dabei im Idealfall Motivation tanken für künftige Auftritte bei den „Großen“.
Das war der Plan, jedenfalls bis vor wenigen Wochen. Aber dann gewann Mühlbacher Bronze bei der Junioren-WM in Kanada, danach landete sie beim Weltcup in Rasnov überraschend auf dem dritten Rang – und plötzlich wird der 18-Jährigen in Planica eine WM-Silbermedaille um den Hals gehängt.
Herzlich willkommen in der verrückten Welt des Skispringens.
Julia Mühlbacher ist gerade die Hauptdarstellerin in einer dieser Geschichten, wie sie nur das Skispringen schreibt. In kaum einem anderen Sport katapultieren sich Menschen wie aus dem Nichts ins Rampenlicht und überspringen mit der Leichtigkeit des Seins in kürzester Zeit viele Sprossen auf der Karriereleiter.
Die Oberösterreicherin schwebt seit ihrem Medaillengewinn bei der Junioren-WM dermaßen in anderen Sphären, dass sie gerade nichts aus der Flugbahn werfen kann. Der Druck und die Verantwortung, die in einem Teambewerb zwangsläufig auf jedem Sportler lasten, schienen an der WM-Debütantin abzuprallen. „So eine coole Socke, die war nicht einmal nervös“, staunte Teamkollegin Chiara Kreuzer.
Selbst ein folgenschweres Missgeschick unmittelbar vor dem zweiten Sprung brachte Mühlbacher nicht ins Straucheln. Die Oberösterreicherin war über eine Stiege gestolpert und hatte sich eine Rissquetschwunde am Schienbein zugezogen. Völlig unbeeindruckt sprang Mühlbacher auf 96,5 Meter und ebnete dem österreichischen Team den Weg zur Silbermedaille. „Ich bin von mir selbst überrascht“, gestand die 18-jährige Schülerin des Skigymnasiums Stams und hinkte durch den Auslauf.
Kein Wunder also, dass Harald Rodlauer eine Lobeshymne auf die WM-Debütantin anstimmte. „Julia muss man wirklich herausheben. Sie hatte einen Riesenanteil an dieser Silbermedaille“, erklärte der Cheftrainer der ÖSV-Skispringerinnen. Nicht zuletzt darf sich aber auch und vor allem der ruhige Steirer Vater des Erfolges nennen.
Rodlauer ist seit Jahren der Flugbegleiter der österreichischen Springerinnen und landet dabei einen Triumph nach dem anderen. 2021 hatten die Österreicherinnen bereits Team-Gold gewonnen – und obwohl von der damaligen Auswahl in Planica nur Chiara Kreuzer dabei war, reichte es abermals zu einer Medaille – ein Beleg für die hohe Leistungsdichte im österreichischen Frauen-Skispringen.
Seit Bestehen des Teamwettkampfs (2019) haben die Österreicherinnen noch bei jeder WM eine Medaille gewonnen. Die Besetzung in Planica war ein Best of der Stehauffrauen: Die Leidensgeschichte von Weltcupleaderin Eva Pinkelnig (Schädel-Hirntrauma, Milzriss), die im Einzel zuvor bereits Vizeweltmeisterin wurde, ist hinlänglich bekannt. Jacqueline Seifriedsberger wiederum hat zwei Kreuzbandrisse und etliche Knie-Operationen überstanden. Und Chiara Kreuzer fand nach langer Formsuche auch erst in diesem Winter wieder zu alter Stärke zurück.
„Die Voraussetzungen waren alles andere als perfekt. „Ich bin wirklich sehr stolz auf diese Mannschaft“, sagt Chefcoach Harald Rodlauer.