Thiems neues Leben: Kaum noch fliegen, vegetarisch werden, das Klima schützen
Der Kreis schließt sich. Dort, wo der 4-jährige Dominic auf der Tribüne saß und mit den Stars mit fieberte, wird er nun seinen Abschied vom Profitennis geben. In der Wiener Stadthalle, beim Erste Bank Open (19. bis 27. Oktober).
"Es kommen natürlich jetzt alle Erinnerungen hoch. In der Stadthalle wurde ich vom Fan zum Spieler", lässt Thiem die Zeit Revue passieren. "Für mich war immer klar, dass ich in Wien aufhören werde." Weil er sich hier daheim fühlt, und weil das Turnier ohnehin gegen Ende eines Tennisjahres statt findet.
Einmal noch darf er das Gefühl eines Tennisprofis noch erleben. Nicht am Sonntag, wenn er seine Farewell-Party begeht und gegen Alexander Zverev einen Satz spielt und danach Sportpromis zur Feier begrüßen darf. Angefragt wurde bei Basketball-Legende Dirk Nowitzki, auch bei den drei Großen des Tennissports, Federer, Nadal und Djokovic.
Der Dienstag wird bekannter maßen in der Stadthalle zum "Thiemstag", an dem der Niederösterreicher wohl sein letztes Profispiel absolviert. Alles andere als eine Niederlage wäre eine Überraschung. "Mir ist schon klar, dass ich das Turnier nicht gewinnen werde", lacht der 31-Jährige.
In letzter Zeit steht er wieder täglich auf dem Platz, "weil ich ja ein gewisses Level erreichen möchte. Ich brauche vier Stunden tägliches Training, sonst verliere ich schnell mein Level. Das wird richtig schnell schlecht. Andere Spieler können pausieren und kommen stark zurück, bei mir ist das nicht so", erklärt Thiem.
Die vergangenen Wochen waren emotional auch eine Achterbahnfahrt mit dem bevor stehenden Abschied vom Leben als Profi. "Zwischen den Turnieren hatte ich Abstand vom Tennis und einen anderen Lebensstil." Aber er ist jetzt schon froh, dass es bald vorbei sein wird.
Dann wird Dominic Thiem ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen. An Optionen und Ideen mangelt es jedenfalls nicht.
Er könnte ab und zu Exhibitions spielen. "Ich werde den Schläger schon ab und zu in die Hand nehmen." Er könnte in der familieneigenen Tennisakademie dafür sorgen, dass der eine oder andere Dominic dem Herrn Thiem in die Weltspitze nachfolgt. "Es ist ein großes Ziel die Chancen für junge Spieler und Spielerinnen zu erhöhen, dass sie auch einmal den Weg gehen können, den ich in meiner Karriere gegangen bin."
Als Touring Coach sieht er sich aus gutem Grund nicht. "Ich habe keine Lust weiterhin so viel zu reisen." Maximal nach London, um seinen Lieblings-Fuballklub Chelsea wieder einmal live zu erleben. Der letzte Besuch datiert aus dem Jahr 2014. "Es wird wieder Zeit."
Aktuell gibt sich Thiem sehr wohl die Kugel, allerdings eine größere und keine aus Filz, sondern aus Leder. Fußballfan Thiem kickt seit dem Sommer beim Ecoballers FC in der Wiener Kleinfeldliga. "Es ist ein unglaublicher Kontrast zum brutalen Einzelsport Tennis, wenn man sich in ein Mannschaftsgefüge begibt. Tennis ist ja eine der einsamsten Sportarten."
Seine Zukunft malt er sich grün aus. Schon jetzt begleitet er ein Energie-Projekt, "das nur gute Seiten hat. Jeder, der beitritt, bezieht günstigen, nachhaltigen, grünen Strom. Das ist das erste große Thema, mit dem ich mich jetzt schon viel beschäftige. In Österreich müssen wir die Welt ein wenig grüner zu machen.
Er selbst möchte weniger auf Reisen gehen, um das Klima zu schützen und seinen persönlichen CO2-Abdruck verringern. "Ich möchte dem Planeten etwas zurück geben, denn ich habe ihm in den letzten 15 Jahren ohnehin viel genommen."
Darüber hinaus wird er seine Ernährung umstellen, will fast kein Fleisch mehr zu essen. "Ich versuche vegetarisch zu werden. Schauen wir, wie mein Körper darauf reagiert. Denn bisher war er auf Spitzensport konditioniert."
Nach wie vor ist Thiem beim WWF tätig und unterstützt das Seeadlerprojekt. "Und irgendwann hole ich einen Hund aus dem Tierheim. Tierschutz steht bei mir ganz weit oben."
Zu 100 Prozent ist der Lichtenwörther mit sich und seiner Karriere noch nicht im Reinen. "Ich habe immer wieder teilweise reflektiert. Jetzt steht aber noch Wien vor der Tür." Danach aber will er reflektieren. "An einem nebligen und regnerischen Novembertag. Da setze ich mich allein hin und werde alles reflektieren."