Showdown zweier Box-Stars: Kampf um vier Gürtel mit ganz viel Stil
Von Silvana Strieder
"Styles make fights", lautet es im Boxen immer. Dieses bekannte Sprichwort, "Stile machen Kämpfe", besagt, dass Boxer mit unterschiedlichen Kampfstilen die interessantesten Kämpfe produzieren. So gesehen erwartet die Boxwelt am Samstagabend wohl einer der spannendsten Kämpfe dieses Jahres: Anthony Joshua gegen Oleksandr Usyk.
Vor rund 60.000 Zuschauern verteidigt der Brite Joshua in der Nacht von Samstag auf Sonntag seine vier WM-Titel. Im Fußball-Stadion von Tottenham Hotspur trifft er auf den noch unbesiegten Ukrainer Oleksandr Usyk. Die beiden Box-Superstars könnten unterschiedlicher nicht sein.
Anthony „AJ“ Joshua
"Ich bin hier, um zu gewinnen, das ist die Kämpfermentalität. Viele werden das nicht verstehen, denn 99 Prozent der Menschen sind zivilisierte Menschen. Den Job, den ich gewählt habe, der ist für die Unzivilisierten. Das ist ein Sport aus Kampf und Krieg. Wir sind keine zivilisierten Menschen, wir sind Krieger – und ich liebe es", sagte Joshua im Januar in einem Video. 1989 wurde Anthony Oluwafemi Olaseni Joshua, kurz "AJ" genannt, in Watford als Sohn nigerianischer Einwanderer geboren. Nach seinem Schulabbruch machte er eine Maurer-Lehre und wurde immer wieder in Schlägereien und andere kriminelle Straftaten verwickelt.
Das Weglaufen vor der Polizei könnte ein Grund für seine Schnelligkeit sein. Denn die 100 Meter lief der 2-Meter-Mann früher in 11,6 Sekunden. Bevor ihn sein Cousin mit 18 Jahren erstmals ins Boxtraining mitnahm, wollte AJ Leichtathlet oder Fußballer werden. Doch der Schritt in die Boxhalle prägte seine Zukunft. "Boxen ist ein Segen. Ich mache es aus Leidenschaft, nicht als Beruf", sagt der 31-Jährige. Seine unerwartete Niederlage 2019 gegen Andy Ruiz hat Joshua längst verdaut. Für Fehler ist diesmal kein Platz, wenn er sich gegen Usyk behaupten will. Das weiß AJ und bereitete sich deshalb im "Rocky Marciano Stil der alten Schule" vor, um seinen Profi-Rekord von 24 Siegen (22 K.Os) und einer Niederlage am Samstag zu erweitern.
Oleksandr Usyk
Im Gegensatz zum gesprächigen "AJ" bekommt man aus Oleksandr Oleksandrowytsch Usyk vor Kämpfen nichts heraus. Dafür unterhält der bescheidene Ukrainer Fans mit Zaubertricks, Jongleur-Künsten, Rap- oder Tanz-Einlagen. Ohne seinen verstorbenen Vater würde Usyk heute nicht auf den Brettern des Box-Olymps stehen. "Er sagte immer zu mir, dass ich boxen kann", erzählt der 34-Jährige in einer Doku. Aufgewachsen ist er auf der Krim und spielte bis zum Alter von 14 Jahren Fußball, bevor er ein Jahr später zum Boxen wechselte. 18 Siege (13 K.Os) stehen auf seinem Konto. Usyk ist der einzige Cruisergewichts-Weltmeister, der bislang alle vier bedeutenden Verbände (WBO, WBC, WBA, IBF) vereinen konnte. 2019 wechselte er ins Schwergewicht und wird dort seinen dritten Kampf bestreiten.
Neben AJ (Superschwergewicht) krönte sich auch Usyk (Schergewicht) 2012 in London zum Olympiasieger.
Die große Frage ist aber, ob Usyk körperlich mit dem sieben Zentimeter größeren Lokalmatador mithalten und dessen zehn Zentimeter Reichweiten-Vorteil durch Technik und Schnelligkeit wettmachen kann. (19 Uhr, live DAZN).