Tochter eines Ex-ÖFB-Spielers regiert die ehemalige Fußball-Hochburg Mattersburg
Von Wolfgang Winheim
Sogar Tribünensitze waren der Konkursmasse zugeordnet und abmontiert worden. Die Polizei bezog dauerhaft im ersten Stock des Kabinenhauses ein Büro. Inzwischen bekommt aber auch wieder der Fußball Bedeutung im Pappelstadion. Dort, wo oft mehr Menschen bei Spielen gezählt worden waren als Mattersburg Einwohner hat, bevor es zum Bankencrash und zur Auflösung des vermeintlichen Vorzeige-Klubs kam.
2020 herrschte Schockstarre im 7500-Seelen-Städtchen. Der Mann, dem Aufstieg und Fall zu verdanken war, wird nie mehr einen Gerichtssaal von innen sehen. Martin Pucher sei Verhandlungsunfähigkeit attestiert worden, sagt Anwalt Norbert Wess, der auch jüngere, gesündere Promi-Sünder à la Rene Benko zu seinen Klienten zählt. Gezeichnet von zwei schweren Schlaganfällen wäre Pucher, 68, nicht mehr in der Lage einen Fußballplatz zu besuchen. Abgesehen davon, dass ,man ihn, der so manche seiner Bank-Kunden um ihr Erspartes gebracht hatte, dort verfluchen würde. Fast zwei Jahrzehnte lang war das anders gewesen ...
... als Mattersburg zweimal bis ins Cup-Finale kam;
als Pucher ob seiner Dreifachfunktion als Commerzbank-Boss, SVM-Vereinsobmann und Bundesliga-Präsident bewundert und von Brancheninsidern wegen seiner Handschlagqualität geschätzt wurde;
als der SVM im Europacup aufgestiegen ist;
als unter Puchers Regie eine Fußballakademie mit Real-Madrid-Niveau entstand.
Während die Nachwuchsschmiede vom burgenländischen Verband übernommen wurde, kam kaum einen Tormannsschuss entfernt von ihr bei Ausgrabungen archäologisch Wertvolles zutage. Die 2022 und 2023 entdeckten Brandgräber, Urnen und Gefäße sind 3000 bis 5000 Jahre alt.
Pucher dürfte wohl gar von einem Goldschatz im Fußball geträumt haben. Wie sonst (außer mit krimineller Energie) ist zu erklären, dass der gegenüber sich selbst eher genügsam gewesene Fußballnarr mit widerrechtlich lukriertem Commerzbank-Geld namhafte Spieler in die Provinz zu locken wagte. In deren Sog reiften auch regionale Talente zu international Vorzeigbarem heran.
Christian Fuchs wurde Teamkapitän, Michael Mörz 12-facher Nationalspieler. Jetzt sind es die turnenden Töchter von Mörz, die nicht nur Sportfreunde in Mattersburg und Umgebung stolz machen. Charlize Mörz, 19, gewann mit einer artistischen Vorstellung als erste Österreicherin einen Weltcup im Bodenturnen, Sie trainiert wöchentlich bis zu 30 Stunden. Und damit vier Mal so viel wie die aktuellen Mattersburger Kicker. Bloß haben die nicht Olympia wie die für Paris fix qualifizierte Charlize, sondern vorerst die vierte heimische Leistungsstufe im Visier.
Gecoacht von Josef Kühbauer, dem Bruder des vom Pucher-Freund zum (finanziellen) Pucher-Opfer gewordenen Didi Kühbauer, steht der 2020 gegründete Nachfolgeverein MSV als überlegener Meister und Aufsteiger in die burgenländische Landesliga fest.