Rettung oder Todesurteil? Europaweite Wut über die Super League
Von Christoph Geiler
Die Pläne der Super League waren kaum veröffentlicht, da stiegen die Fußballanhänger auch schon allerorts auf die Barrikaden. Und falls sich die Schöpfer dieser fußballerischen Gegenbewegung für ihre Idee tatsächlich eine Welle der Begeisterung erwartet haben sollten, so sahen sie sich genau mit dem Gegenteil konfrontiert: Mit einer Woge der Empörung.
Quer durch Europa zeigten die Fußballfans Flagge und machten mit Spruchbändern und Bannern an den Stadien ihren Unmut kund. Die Ablehnung der Super League vereint dieser Tage sogar erbitterte Fanrivalen, im Kampf gegen den Kommerz spielen die Vereinsfarben plötzlich keine Rolle mehr. RIP LFC – dieses Transparent an der berühmten Anfield Road stand sinnbildlich für den Protest. Die Liverpool-Anhänger tragen ihren Klub zu Grabe, weil der LFC zu den zwölf Gründungsmitgliedern der Super League gehört.
Klare Worte
Florentino Perez kann die Aufregung und den Widerstand nicht verstehen. Eineinhalb Stunden lang pries der Boss von Real Madrid im spanischen Fernsehen die Vorzüge der Super League an und versicherte treuherzig. „Alles, was ich tue, ist zum Wohl des Fußballs.“
Zudem schlug sich ein spanisches Gericht auf die Seite der umstrittenen Super League. Das Handelsgericht Nummer 17 in Madrid habe am Dienstag den internationalen Verbänden FIFA und UEFA sowie den diesen angeschlossenen Organisationen und Ligen jede Sanktion oder andere Maßnahme gegen die zwölf Gründerklubs untersagt, wie spanische Medien unter Berufung auf Justizkreise berichteten.
In erster Linie geht es Perez ohnehin um seinen Verein Real Madrid, den ein hoher Schuldenberg drückt und der deshalb auch nicht in der Lage ist, Cristiano Ronaldo von Juventus Turin zurückzuholen. „Es geht darum, den „Fußball zu retten, damit wir zumindest für die nächsten 20 Jahre in Ruhe leben können. 2024 sind wir alle tot. Die Situation ist sehr dramatisch“, betonte Perez, um sich am Ende noch über das Unverständnis zu beschweren. „Wann immer es eine Veränderung gibt, gibt es Leute, die dagegen sind.“
Aber was hatten sich Perez und seine Mitstreiter aus England und Italien denn erwartet?
Dass die Fußballwelt den abtrünnigen zwölf Vereinen, das „dreckige Dutzend“, wie sie in den sozialen Netzwerken genannt wurden, zu dieser Idee applaudieren würde? Dass all die übrigen europäischen Klubs diese Liga super finden würden?
Selten einmal erlebte man die Spielmacher im Fußball so einig wie an diesem Dienstag: FIFA-Boss Gianni Infantino und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, die sich in der Vergangenheit schon öfter in den Haaren lagen, pflegen in dieser Angelegenheit den Doppelpass und attackieren den Kreis der Zwölf. „Wenn einige wählen, ihren eigenen Weg zu gehen, müssen sie mit den Konsequenzen leben“, stellte Infantino beim UEFA-Kongress in Montreux am Genfer See klar. „Die Super League widerspricht den Werten des Sports.“
Scharfe Kritik
In den Augen von UEFA-Präsident Ceferin hätten die Klubverantwortlichen jeglichen Bezug zur Fußball-Realität verloren. „Wenn der Schlusspfiff ertönt, schauen sie nicht auf die Tabelle, sondern auf die Einschaltquoten und Aktienpreise“, kritisierte der Slowene.
Und so wandten sich die 55 Nationalverbände der UEFA, darunter auch der ÖFB mit einem gemeinsamen Beschluss gegen die neue Super League und deren Initiatoren "Wir sind der europäische Fußball, sie sind es nicht", sagte Ceferin gegen Ende des UEFA-Kongresses am Dienstag in Montreux. "Wir bleiben standhaft, widerstehen und werden dagegen vorgehen." Die Wortwahl wurde ohne Gegenstimmen als Erklärung angenommen.
Derweil positionierte sich Liverpool-Kapitän James Milner als erster Profi aus einem der Rebellen-Klubs öffentlich gegen die Pläne. „Ich mag es nicht und hoffentlich kommt es nicht dazu“, sagte der Engländer am Montag nach dem 1:1 gegen Leeds United.
Die Spieler aus Leeds trugen dabei beim Aufwärmen T-Shirts mit einer unmissverständlichen Botschaft: „Earn it“ (Verdient es) stand unter dem Champions-League-Logo auf der Vorderseite der Leibchen, „Football is for the fans“ (Fußball ist für die Fans) auf dem Rücken.
Liverpool-Coach Jürgen Klopp dementierte zudem einen Rücktritt als Reaktion auf die Super-League-Pläne seines Klubs Liverpool, will mit seiner Mannschaft aber auch nicht in einen Topf mit den Besitzern geworfen werden. "Das Team hat nichts damit zu tun. Und ich habe auch nicht wirklich was damit zu tun. Aber Leute behandeln uns so", sagte er.
Kleine Hoffnung
Im Mutterland des Fußballs ist das Thema zum Politikum geworden. Premierminister Boris Johnson hat seine Ablehnung bekräftigt. "Seid versichert, dass ich alles tun werde, um diesem lächerlichen Plan die Rote Karte zu zeigen", schrieb der Regierungschef in einem Gastbeitrag für die Boulevard-Zeitung The Sun. Die Super League biete weder einigermaßen Chancengleichheit noch gebe es für alle Vereine dieselben Entwicklungsmöglichkeiten.
Die britische Regierung hat zudem angekündigt, alle Möglichkeiten zu prüfen, um die Super League noch zu verhindern. Sportminister Oliver Dowden stellte am Dienstag im Parlament drastische Ideen vor, um die englischen Klubs an einer Teilnahme zu hindern, darunter Extrasteuern, eine geringere Anzahl von Sicherheitskräften an Spieltagen sowie eine Verweigerung der Arbeitserlaubnis für Neuzugänge aus dem Ausland.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hat indes immer noch Hoffnung, dass sich die brisante Causa in Wohlgefallen auflöst. „Sie haben einen großen Fehler gemacht Aber: „Es ist noch Zeit, ihre Meinung zu ändern.“