Ralf Rangnick: "Heldentaten des ÖFB-Teams sind eine Weile her"
Bad Tatzmannsdorf, Südburgenland. 1.600 Einwohner zählt der Kurort im Bezirk Oberwart und garantiert, was es braucht, um konzentriert arbeiten zu können: Ruhe. Ralf Rangnick wird sich ob der Stille in den nächsten Tagen besonders erfreuen.
Zum ersten Mal sprach der Startrainer am Sonntagnachmittag als ÖFB-Teamchef zur Öffentlichkeit. Dass der „Reduce Kultursaal“ in der österreichischen Provinz halb leer blieb, spielt für den 63-Jährigen keine Rolle. Für ihn ist das Glas halb voll. Mindestens. „Danke, dass ihr so zahlreich erschienen seid“, sagte Rangnick, nachdem er ausführlich, mit einer Menge Gelassenheit, aber vor allem mit einer gehörigen Portion Überzeugung, sämtliche Fragen beantwortet hatte.
Ob er die Gefahr sehe, dass sein Vorhaben beim ÖFB scheitern könnte? Nicht im Ansatz. „Ich sehe mehr Chancen als Risiken für Dinge, die nicht klappen können“, betont Rangnick, der sich ab sofort auch voll und ganz auf den Job beim ÖFB konzentrieren kann. „Ich habe meinen Beratervertrag mit Manchester United aufgelöst.“
Der Deutsche hat das Verständnis dafür, dass Dinge funktionieren können. Beispiele gefällig? Auf die Stärke der ersten Gegner in der Nations League, die mit Kroatien, Frankreich und Dänemark allesamt über das ÖFB-Team zu stellen sind, sagt er: „Wir sind in keinem Spiel Favorit. Das heißt, wir müssen irgendetwas besser machen als der Gegner“, sagt Rangnick und macht das Glas noch voller: „Wir müssen versuchen, selber Kontrolle zu haben.“
„Warum nicht?“
Ob er etwa die richtigen Stürmer hat, um seinen Stil vom intensiven Pressing umsetzen zu können? „Warum soll ein Sasa Kalajdzic, der außergewöhnliche Fähigkeiten im Strafraum hat, nicht im Kollektiv Gegner unter Druck setzen können?“, stellt der Teamchef die Gegenfrage.
Und um ein Klischee zu bedienen: Natürlich legt der Schwabe auch typisch deutsche Tugenden an den Tag, wenn er etwa an den Teamgeist appelliert oder einzelne Stars in die Pflicht nimmt. „Es geht nur, indem die Spieler Dinge gemeinsam umsetzen. Die Mannschaft muss besser sein als die zu erwartende Summe der Qualität der Einzelspieler“, philosophiert Rangnick und spricht dabei auch über Marko Arnautovic.
Auch der 33-Jährige soll den intensiven Pressing-Stil mitmachen. „Ich habe mir einige Spiele von Marko angeschaut. Mein Eindruck ist, dass er deutlich fitter ist als vor zwei Jahren. Jetzt liegt es an ihm. Es ist nicht mehr so viel Zeit, wenn Marko neben dem 100. Länderspiel noch irgendwas gewinnen will, dann müssen wir uns beeilen. Dann muss auch er sich beeilen. Körperlich, so bin ich überzeugt, ist er dazu in der Lage.“
Die erste Gelegenheit, das zu beweisen, hat der Bologna-Legionär vielleicht schon am Freitag. Die Partie in Osijek gegen Kroatien wäre Länderspiel Nummer 99.
„Ob das sein muss?“
Wo Rangnick mit dem österreichischen Team hin will, stellt er unmissverständlich klar und bedient sich eines Beispiels. „Als ich 2012 nach Salzburg gekommen bin, war Österreich in der UEFA-Klubrangliste auf Platz 19, und der Meister musste sich über mehrere Qualifikationsrunden für die Champions League qualifizieren.
Heute ist man auf Platz acht, und Salzburg ist fix in der Champions League dabei.“ Er wisse nicht, sagt Rangnick, warum so eine Entwicklung mit dem Nationalteam nicht auch möglich sein sollte. „Österreich liegt auf Platz 34, und da sind Länder vor uns wie etwa Marokko, Ägypten oder Costa Rica, wo ich nicht weiß, ob das sein muss.“
Auf den 100-fachen Teamspieler Dragovic zu verzichten, sei keine Entscheidung gegen den 31-Jährigen, „sondern eine Entscheidung für andere. Ich sehe großes Potenzial in diesem Kader.“ Über die Formation setzt Rangnick die Spielidee. Wir wollen ihnen den Plan einfach und klar vermitteln.“ Für Rangnick geht es aber auch um Unterhaltung. „Unsere Spiele sollen nicht langweilig sein, sondern begeistern.“
Auf die Frage, ob er sich beim ÖFB ein Denkmal setzen möchte, antwortete der Deutsche schon typisch österreichisch und zitierte Toni Polster: „Auf Denkmäler machen nur die Tauben.“